E 404 Studio, 2005
Lithographie mit 2-fachem Lasurfond
54,0 x 78,5 cm / 33,7 x 40,5 cm
E 405 Hohe Tannen, 2005
Lithographie mit 2-fachem Lasurfond
54,0 x 78,5 cm / 32,3 x 43,0 cm
Papierqualität: Hahnemühle Bütten, 230 g/qm
Drucker: Handpresse Pankow, Peter Dettmann, Berlin
Kino, lautet der Titel der großen Ausstellung mit Werken von Norbert Schwontkowski, die im Februar 2005 in der Bremer Kunsthalle zu Ende gegangen ist und noch in Cottbus und Erfurt zu sehen sein wird. Vom Kino hat Walter Benjamin gesagt, dass es der zunehmenden Zerstreuung der Wahrnehmung Rechnung trage, denn es erfordere keine besondere Aufmerksamkeit. Das „Wichtige“ kommt auf den Betrachter vielmehr unerwartet und plötzlich zu. So verhält es sich auch mit Schwontkowskis Bildern: Sie machen den Blick frei für das Unerwartete. Dabei springen sie den Betrachter nicht an, sondern wirken leise nach, indem sie den Verlauf des eigenen Films nur vorsichtig verändern. „Seine große ironische Erzählung vom modernen Leben ist ganz von der Haltung durchdrungen, dass man die wesentlichen Dinge erst erkennt, wenn man sie nicht mehr so wichtig nimmt“, schreibt Till Briegleb in einer Ausstellungsrezension. Folgt man seiner Idee, dann liegt der Schlüssel zu den Bildern Schwontkowskis weniger in der Suche nach dem vermeintlich Wichtigen. Er liegt vielmehr darin, das Wichtige aus dem Blick zu verlieren, für einen Moment auszublenden und sich überraschen zu lassen.
Beide Einzelblätter des Bremer Malers markieren in diesem Sinne „Abstandhalter“ von dem vermeintlich Wesentlichen. So gewinnt man aus der Luft eine andere Perspektive auf die Hohen Tannen, die im Scheinwerferlicht eines Flugzeugs wie schneebedeckte Gipfel wirken. Im Wald steht auch die mit einfachen Strichen entworfene Hütte. Ein ebenso provisorisches Schild auf dem Dach verspricht ein Studio und überzieht die „Bretterbude“ mit einer zeitgemäßen Bedeutung, der ihre düstere, unheimliche Fassade und ihr Standort nicht entsprechen. Wie in dem Titel gebenden Bild der Bremer Ausstellung, in dem Schwontkowski eine Kathedrale mit dem Schriftzug Kino versehen hat, setzt auch hier durch verschiedene räumliche und zeitliche Kontexte eine Verschiebung der Bedeutung und eine Vervielfältigung der Assoziationen ein.
Schwontkowskis Motive schweben nicht im luftleeren Raum. Die für seine Malerei charakteristische pastöse Grundierung, die aus vielen sich überlagernden Farbschichten entsteht, übersetzt der Künstler in die Lithographie. Dass diese wie keine andere Drucktechnik der Malerei nahe steht, hat der Künstler bereits mit seiner 2000 für die griffelkunst entstandenen Serie gezeigt. In der Lithographie, wie sonst auch auf der Leinwand, überlagern sich Farblasierungen zu einer einzigen Farbfläche, deren Ränder unscharf und durchbrochen sind. Diese ist nicht nur „Hintergrund“ der Erzählung, sondern auch ihre Bedingung, ihre Rahmung als Bild und somit als Teil einer größeren Erzählung. Diese „große Erzählung“ ist der Gegenstand der Kunstgeschichte, die der Maler in seiner Arbeit zitiert und von der ihr eigenen Patina befreit. Er weitet sie auf die Gegenwart aus, die bei ihm gekennzeichnet ist durch das Nebeneinander von modernen Errungenschaften, wie Fahrrädern und Flugzeugen, und den Spuren der Vergangenheit.
Norbert Schwontkowski
1949 geboren in Bremen
2013 gestorben in Bremen