Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V.

<p>Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst</p>
<p>Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst</p>
<p>Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst</p>

Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst

<p>Stefan Marx in der Werkstatt Felix Bauer, Köln ©griffelkunst</p>
<p>Stefan Marx in der Werkstatt Felix Bauer, Köln ©griffelkunst</p>
<p>Stefan Marx in der Werkstatt Felix Bauer, Köln ©griffelkunst</p>

Stefan Marx in der Werkstatt Felix Bauer, Köln ©griffelkunst

<p>David Tremlett signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>David Tremlett signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>David Tremlett signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>

David Tremlett signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst

<p>Eröffnung der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst</p>
<p>Eröffnung der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst</p>
<p>Eröffnung der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst</p>

Eröffnung der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst

<p>Druckstöcke und Andrucke von Birgit Brandis ©griffelkunst</p>
<p>Druckstöcke und Andrucke von Birgit Brandis ©griffelkunst</p>
<p>Druckstöcke und Andrucke von Birgit Brandis ©griffelkunst</p>

Druckstöcke und Andrucke von Birgit Brandis ©griffelkunst

Kai Schiemenz

Multiple

E 533
Keramik-Bild I
glasierte Keramikkacheln, montiert auf Multiplex
44,0 × 28,0 cm

E 534
Keramik-Bild II
glasierte Keramikkacheln, montiert auf Multiplex
44,0 × 28,0 cm

Material: Biskuit Fliese glasiert, Multiplex
Glasur: B.O.S. Keramik Velten

Oberfläche als Archiv

Das facettenreiche Werk von Kai Schiemenz haben wir bereits mehrfach vorgestellt. Acht großformatige Holzdrucke wurden in den letzten Jahren ediert, mit Mr. Hyde haben wir 2012 eine große Rauminstallation in unserem Kunstraum präsentiert und parallel in Portfolio No4 Schiemenz’ Installationen, Skulpturen, Graphiken und Malerei publiziert. Aktuell arbeitet der in Berlin lebende Künstler an kleinformatigen Skulpturen und Wandreliefs aus ungewöhnlichen Materialien.

griffelkunst: Bekannt geworden bist Du mit großformatigen, begehbaren Skulpturen. Dabei ging es häufig um die Befragung des Raumes, der durch Architektur definiert wird. Nun experimentierst Du mit farbigem Glas und glasierter Keramik und realisierst Skulpturen in viel kleineren Dimensionen. Wie kam es zu dieser Veränderung?

Kai Schiemenz: Die großen begehbaren Skulpturen bestanden in der Regel aus Holz. Sie bezogen sich in ihrer Modellhaftigkeit auf öffentliche Strukturen, wie Kinos, Archive oder Stadien, die Situationen schaffen, in der oft der oder die BetrachterIn sich beim Betrachten betrachten kann. Die neuen Skulpturen verändern dieses Verhältnis. Sie schaffen ein Gegenüber, das einen Bezug zum Körper entwickelt. Dabei wird die Oberfläche wichtig und ist Teil dieses Verhältnisses. Sie lädt ein. In den letzten drei Jahren habe ich viele Skulpturen aus Glas realisiert. Glas ist transparent, man kann meist durch seine Oberfläche hindurchsehen. Die Oberfläche ist hier nicht mehr die Grenze der Sichtbarkeit. Plötzlich schaue ich in einen Innenraum, sehe hier und da eine Blase, sehe wie mit der Stärke des Glases das Licht abnimmt. Man versinkt ins Dunkel eines Raumes, der hinter der Oberfläche beginnt. Und die Oberfläche funktioniert als Aufzeichnung, in die sich die Spuren der Herstellung als Scharten und Kratzer einschreiben. Oberfläche als Archiv.

griffelkunst: Für die griffelkunst hast Du aktuell zwei Kachel-Bilder entwickelt, die durch ihre Bildhaftigkeit, Materie und Oberfläche begeistern. Wie bei Deinen Glasskulpturen spürt man auch hier den Spaß an der Materialität. Wie wichtig ist der Prozess der Herstellung für Dich?

Kai Schiemenz: Mit den Händen etwas herzustellen ist immer belohnend. Ich zeichne gern, baue Modelle, ..., aber die Skulpturen setzte ich in der Regel nicht selbst um. Ich arbeite gern mit Materialien, die dazu neigen, dass etwas Neues, Unerwartetes entsteht, Materialien, die sich nur schwer steuern lassen. Das verändert zwangsweise mein Verhältnis zum Objekt. Die Form wird unwichtiger, absichtsfreier.

griffelkunst: Die graphischen Strukturen der Kacheln lassen unweigerlich an frühe Bilder der Moderne denken. Inwieweit zitierst Du diese Epoche?

Kai Schiemenz: Ach die Moderne, die hat eben viel mit Architektur zu tun, mit einer Zeit der aufkommenden Massenproduktion in Verbindung mit einem starken Sehnsuchtsmotiv, das Richtung ,Zukunft‘ zeigt. In diesem romantischen Zuwenden sehe ich die Nähe zu den keramischen Bildern. Als Kind hatte ich einen Rückzugsort, das Bad. Oft verbrachte ich hier längere Zeit, versunken in den endlosen Strukturen des Terrazzo oder in den Verläufen transparent glasierter Kacheln. Sie öffneten einen Raum, einen Vorstellungsraum, der nichts mit dem Bad zu tun hatte, aber in ihm vorhanden war. Mit den keramischen Bildern assoziiere ich diese Empfindungen.

Das Interview mit Kai Schiemenz führte Brigitte Bedei per E-Mail im September 2017.

E 494

Einzelblatt
Holzdruck
Höhle
107,0 x 76,5 cm / 88,5 x 62,5 cm

Papierqualität: 250 g/qm Zerkall Bütten

Die Reise zum Mittelpunkt der Erde
von Brigitte Bedei

Die Holzschnitte von Kai Schiemenz sind imposant. Bereits vor einem Jahr haben wir eine Reihe von fünf mehrfarbig angelegten Holzdrucken vorgestellt, deren Bildmotive ihren Ursprung in seinem umfangreichen Bildarchiv nehmen. Die Vorlagen hierfür entstehen aus unterschiedlichen Bildern, die zunächst am Computer zu Collagen verarbeitet werden und ihre endgültige Form erst im Holzschnitt finden. Jedes Bild besteht dabei aus vielen über- und aneinandergelegten Motiven und Bildfragmenten unterschiedlicher Herkunft. Durch den Druck mehrerer Platten kommen weitere inhaltliche Verschiebungen und Verdichtungen hinzu.

Der in Berlin lebende Künstler entwickelt im Holzschnitt eine ganz eigene Auffassung von Landschaft, die sich auch in dem aktuellen Holzdruck ausmachen lässt. Massive Steinwände formieren sich zu einer tiefen Schlucht, die sich nach oben hin öffnet. Bedrohlich wirkt der in Blaugrün und Schwarztönen gedruckte Krater. Der Künstler nimmt darin Bezug auf The Big Hole, ein riesiges Loch mitten in der südafrikanischen Stadt Kimberly. Das große Loch ist eine seit 1914 aufgelassene Diamantenmine, die mit einem Durchmesser von 460 Metern und einer Tiefe von 214 Metern einen spektakulären Anblick bietet. The Big Hole kann dabei als Sinnbild für die rücksichtslose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch den Menschen gesehen werden.

In seinem visionären, großformatigen Bild lässt Kai Schiemenz rote Fallschirme in das Loch gleiten und in der Tiefe verschwinden. Neben jener Gegenständlichkeit lösen sich andere Partien in abstrakte Formen und Strukturen auf, denen ein landschaftlich-apokalyptisches Moment innewohnt. Unweigerlich wird man an die futuristischen Romane eines Jules Verne erinnert und denkt an all die phantastischen Entdeckungsreisen, die er erfunden hat. Die stillgelegte Diamantenmine wird zu neuem Leben erweckt, und man fragt sich als Betrachter, was die Fallschirmspringer wohl im Inneren der Erde erwarten mag. Es vermittelt sich ein Gefühl für die verschiedenen Qualitäten menschlichen Schaffens zwischen Romantik und Bedrohung, das vielen Werken des Künstlers zu Eigen ist.

A-Reihe / 350. Wahl II. Quartal 2013

Holzdrucke

1. Ohne Titel 76 x 53,5 cm / ø 48,5 cm
2. Ohne Titel 76 x 51,8 cm / 68,5 x 52 cm
3. Ohne Titel 76 x 47 cm / 76 x 38,5 cm
4. Ohne Titel 55 x 52 cm / 44 x 44 cm
5. Ohne Titel 100 x 70 cm / 84 x 47 cm

Papierqualität: 250 g/qm Zerkall Bütten
Drucker: Saal-Presse, Bergsdorf

Lesarten der Landschaft

von Kito Nedo

Die Hauptattraktion der südafrikanischen Stadt Kimberley, Provinzhauptstadt von Nordkap, ist ein riesiger Krater mitten in der Stadt. »The Big Hole« ist kein Naturwunder, sondern eine seit 1914 aufgelassene Diamantenmine. Mit einem Durchmesser von 460 Metern bietet das 214 Meter tiefe Loch einen spektakulären Anblick. Vielleicht deswegen nennen es manche auch ehr- furchtsvoll das »größte je von Menschenhand gegrabene Loch« – auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entspricht. Seit 2004 steht der Krater auf der Anmeldeliste für das UNESCO-Weltkulturerbe1, was unter anderem damit begründet wird, dass mit der Mine im 19. Jahrhundert schließlich auch die industrielle Revolution in das südliche Afrika kam. Man könnte die Szenerie freilich auch als Sinnbild für die rücksichtslose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch den Menschen deuten. Oder man staunt über die landschaftliche Qualität, welche der Hunger nach Diamanten nach sich zog.

Für Kai Schiemenz, der in seinen neuen mehrfarbigen Holzschnitten Bezug auf das »Große Loch« nimmt, ist wohl die letztere Lesart die entscheidende. Der Berliner Künstler, der für seine aktuelle Arbeit auf das Kimberley-Motiv als eine von mehreren, mit dem Computer nach dem Cut+Paste-Prinzip weiterverarbeiteten Bildquellen zurückgreift, interessiert sich weniger für den Lokalbezug oder das große Ganze, etwa die mit der menschlichen Technologie-Kultur verbundenen Dystopien. Vielmehr darf man sich den Künstler als eine Art fröhlichen Ingenieur vorstellen, begeistert von Utopien, menschlicher Erfindungskraft, dem Benutzen von Werkzeugen und dem ästhetisch geschickten Eingreifen in bestehende räumlich-soziale Ordnungen.

Inhaltlich wie praktisch geht es Schiemenz nicht um das Gegeneinanderstellen – etwa von digitaler Collage und analogem Holzschnitt-Prozess. Digitale und analoge Werkzeuge dienen gleichermaßen beim Erstellen von Collagen mit Hilfe von Photoshop, beim Schneiden von Holz, beim Verschrauben seiner begehbaren Skulptur-Konstruktionen im städtischen Raum. Es geht um die vielfältigen Verbindungen, die Verschraubungen, das Zusammenhalten. Durch die verschiedenen Medien und Räume hindurch, in denen das Werk von Kai Schiemenz stattfindet, ist dennoch ein zentrales Moment erkennbar: die Auseinandersetzung mit Landschaft und den Veränderungen, der sie unterworfen ist. Dieses Thema ist auf verschiedenen Ebenen lesbar.
Für die Geschmeidigkeit von Schiemenz‘ Landschaftsbild gilt, was der Ökologe Hansjörg Küster einmal als möglichen Arbeitsbegriff definierte: »Alles, was der Mensch in seiner Umgebung wahrnimmt, und was er in den Zusammenhang stellt, ist Landschaft. Ihre Elemente sind Berge und Meere, Seen und Flüsse, Tiere und Pflanzen, Gebäude und Ackerland, Städte und Straßen.
Zu dieser Landschaft gehört Sichtbares wie Unsichtbares, das man im Geiste hinzufügt, also einzelne Mineralkristalle oder Wassertropfen. Landschaft besteht nicht nur auf der Erde, sondern auch auf dem Mond, als Mondlandschaft, es gibt sie nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Stadt – als Stadtlandschaft.«2 Selbst Wohnlandschaften im Innenraum darf man dazuzählen, doch ist nicht alles Landschaft: Wichtig seien, so Küster »die Bilder und Metaphern, die sich die Menschen davon machen, die Stimmungen, die dabei angeregt werden, sowie die Reflexionen und Interpretationen der Betrachter über das Gesehene [...]. Alles Belebte und Unbelebte wird in Zusammenhänge gestellt, wenn Landschaft betrachtet wird.«3
Die Auseinandersetzung mit Landschaft wird bei Schiemenz als Frage verhandelt: Ihre Gemachtheit, im Sinne einer »theatralischen Inszenierung«4, ihr Verhältnis zur Gesellschaft, ihre Unvollendetheit, auch ihr Verständnis als einer besonderen Form des Sehens. Der Anspruch einer Verbindung von ästhetischer und sozialer Erfahrung – auch Aneignung von Landschaft – ist in den meisten skulpturalen Unternehmungen von Schiemenz spürbar. So diente die 2008 für die Initiative Skulpturenpark Berlin_ Zentrum5 errichtete, konstruktivistisch anmutende Konstruktion aus Sperrholz und Dachlatten The Empty Dwelling, the Vain Tower and the Mad Colonist in mehrerer Hinsicht als Aussichtsplattform: Sie erlaubte nicht nur den Überblick über einen geschichtlichen Ort (ehemaliger Ost-West-Mauerstreifen), sondern ermöglichte auch das Nachdenken über die Möglichkeiten, die mit dem im Zuge der Wiedervereinigung schwindenden Berliner Stadtbrachen verbunden waren: »Abgeschieden auf dem großen Feld stehend, präsentiert sich die Anlage von Ferne betrachtet in filigraner Passivität als Skulptur und dient der kontemplativen Anschauung. [...] Sie vermittelt eine utopische Inanspruchnahme des urbanen Raums: Als Mad Colonist bezieht sie trotzig Stellung vor der anstehenden urbanen Erneuerung.«6
Die Entwicklung der urbanen Landschaft ist nicht aufzuhalten und folgt ortsspezifischen komplexen Mustern, an deren Entschlüsselung die moderne Stadtplanung arbeitet.7 Von rigiden Masterplänen, wie sie etwa Le Corbusier für das indische Chandigarh entwarf, hat man heute längst Abschied genommen. Besonders die Städte in den Schwellenländern wachsen in einem nie gekannten Tempo, die modernistischen Utopien hingegen sind implodiert. Die neuen Stadtlandschaften wuchern nach unbekannten Mustern, das haben sie mit den futuristischen Städten in Kai Schiemenz‘ Bildern und seinen skulpturalen Konstruktionen gemein. Wer lang genug in das »Große Loch« schaut, der sieht die Zukunft. Die Landschaft verändert sich – davon erzählt die Kunst von Kai Schiemenz.

1 http://whc.unesco.org/en/tentativelists /1909/ (Stand: März 2012)
2 Küster, Hansjörg: Schöne Aussichten. Kleine Geschichte der Landschaft. München: 2009, S. 10
3 Ebenda, S.10/11
4 Gespräch mit dem Künstler, Berlin, März 2012
5  Vgl.: Tan, Pelin: Lassen sich »Räume« vollständig kapitalisieren? Kunst und die Gentrifizierung von Nicht-Orten. In: Szymczyk, Adam u. Filipovic, Elena (Hg.): When Things Cast No Shadow, Zürich: 2008, S. 124-134
6 Kai Schiemenz: The Empty Dwelling, the Vain Tower and the Mad Colonist. In: KUNSTrePUBLIK (Hg.): Skulpturenpark Berlin_Zentrum. Köln: 2010, S. 117
7 Breuer, Hubertus: Das Modell Stadt. Wie Planer versuchen, die Metropolen der Zukunft im Computer zu simulieren. Süddeutsche Zeitung, 17./18. März 2012, S.24

E 479

Einzelblatt
Holzdruck von drei Platten
Ferropolis, 2011 137 x 100 cm

Postutopistischer Ökoaktivismus

von Britta Peters

Das Werk von Kai Schiemenz möchten wir Ihnen in diesem Jahr umfassend vorstellen. So erhalten Sie in dem aktuellen Portfolio-Heft Einblicke in seine vielschichtige Arbeitsweise. Die Publikation erscheint im Mai parallel zu seiner Sonderausstellung im Kunstraum Seilerstraße. Darüber hinaus hat Schiemenz für die griffelkunst einen großformatigen, farbig angelegten Holzschnitt erarbeitet, der aufwendig von drei Platten gedruckt wurde. Er bildet den Auftakt für eine Reihe sechs weiterer Holzdrucke, die wir Ihnen im Herbst dieses Jahres vorstellen werden.

Bildarchive, Holzschnitte, am Computer erzeugte Malerei, kleine bemalte Skulpturen auf Sockeln, große begehbare Installationen in Innen- und Außenräumen – die Kunst von Kai Schiemenz nimmt in sehr unterschiedlichen Formen Gestalt an. Trotz starker inhaltlicher und ästhetischer Verbindungslinien, kommt der Versuch, sein Werk im Hinblick auf einen zentralen Ausgangspunkt zusammenzufassen einer eher gewaltsamen Unternehmung gleich. Schiemenz selbst äußert dazu, dass er sich zwar manchmal wünschen würde, die einzelnen Bereiche mündeten in eine klare künstlerische Position. Er habe jedoch das Gefühl, die unterschiedlichen Gruppen hielten sich »bevorzugt in ihrem eigenen Terrain auf«. Das ist schön gesagt und erlaubt hier eine Konzentration auf die Holzschnitte, deren Entstehung die Arbeit mit seinen Archiven vorausgeht.

Kai Schiemenz sammelt Bilder zu so unterschiedlichen Themen wie Stadionbau, Utopien und öffentlichen Räumen. Seine Archive speisen sich aus Landschaftsaufnahmen, militärischen Infanterie-Journalen, astrophysikalischen Versuchsaufbauten und vielen weiteren Quellen. Die Zuordnung zu den Sammlungssträngen geschieht spontan und bleibt flexibel. Aus einem Prozess des Über- und Aneinanderlegens von verschiedenen Motiven entsteht eine erste Vorlage für den Druck, die er – in Abhängigkeit von der Kleinteiligkeit der Zeichnung – auf Holz- oder MDF-Platten überträgt. Nach dem Andruck sind häufig ästhetische Umgewichtungen erforderlich, sodass sich die endgültige Form erst in der Werkstatt herauskristallisiert. Sein von drei Platten jeweils mit Farbverläufen gedrucktes Blatt Ferropolis dominiert eine dynamische, wolkige Struktur, in der industrielle Fragmente erkennbar bleiben: Fördertürme lassen sich assoziieren, Brücken, Kräne und Förderbänder. Die Figuration wächst förmlich mit einer Art Wirbelsturm in der Mitte des Bildes in die Höhe, wird dabei durch Schaumkronen und Nebelschwaden partiell verdeckt und wieder nach vorne gespült. Natur und Fortschritt zeigen sich aufs Engste miteinander verzahnt. Die gegenläufigen Strukturen – metallisch starr auf der einen, organisch bewegt auf der anderen Seite – scheinen sich ein dramatisches Duell zu liefern, dem Schiemenz durch ein souveränes Spiel mit den stempelhaften und malerischen Qualitäten des Holzdrucks Ausdruck verleiht.

E 479
350 A1
350 A2
350 A3
350 A4
350 A5
E 494

Kai Schiemenz

1966 geboren in Erfurt, studierte von 1992–98 an der Universität der Künste in Berlin. 1999 war er Meisterschüler bei Prof. Lothar Baumgarten.
Schiemenz lebt und arbeitet in Berlin.
Er wurde mit mehreren Stipendien ausgezeichnet, u.a. 2010 Kulturaustauschstipendium New York, 2009; MADA residency, Melbourne; 2005 Villa Aurora, Los Angeles. Einzelausstellungen u.a.
2017 In Farbe, Mies van der Rohe Haus, Berlin (K); 2016/17 Steine, Galerie EIGEN + ART, Berlin; 2016 Große und kleine Pistazie/Malve/Koralle, Städtische Galerie Wolfsburg (K)

Publikationen
In Farbe, Mies van der Rohe Haus, form + zweck, Berlin 2017
Kai Schiemenz, Arbeiten/Works 2013–2016, Spector Books, 2016
Portfolio No4, Kai Schiemenz, Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V., 2012

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