A-Reihe / 390. Wahl
II: Quartal 2023
Love by a Whisker
Offsetdruck auf Haftpapier
65,0 × 46,0 cm
A1 Love by a Whisker #1
A2 Love by a Whisker #2
A3 (2-teilig)
Love by a Whisker #3a
Love by a Whisker #3b
A4 Love by a Whisker #4
A5 Love by a Whisker #5
A6 Love by a Whisker #6
Papierqualität: 90 g/qm Metapaper, ExtraRough White
Druck: Reset St. Pauli Druckerei, Hamburg
Hersteller Mappe: Reset St. Pauli Druckerei, Hamburg
Welches Tier versteckt sich hier?
von Stephanie Bunk
Paul Spengemanns Editionsbilder bewegen sich zwischen Papierarbeit und Skulptur. Sie spielen auf die Tradition der Graphik an und sind doch in der »digitalen Tischlerei« entstanden, wie der Künstler seinen Arbeitsplatz nennt. Nicht nur der Arbeitsprozess verläuft digital, sondern auch die Präsentation seiner Werke. Meistens genügt bereits ein USB-Stick, um die Videoarbeiten und Lichtinstallationen in einer Ausstellung und angepasst an den jeweiligen Raum zu zeigen. Die Idee der Projektion ist für den Filmemacher zentral. Er greift sie für die Edition auf, denn auch die im Offsetdruck auf Haftpapier gedruckten Motive legen sich auf die Wand. Im Stil eines Trompe-l’oeils erzielen sie die Illusion, als würde tatsächlich eine Behausung für ein Tier an der Wand hängen, das sich darüber hinaus auch irgendwo verstecken könnte.
Doch die Serie Love by a Whisker ist kein Suchspiel. Eher ein Spiel mit der Vorstellungskraft. Denn ob in den Häusern und Spielplätzen für (Haus-)Tiere eine Ratte oder Ähnliches lebt, bleibt offen. Spuren und Hinweise auf die möglichen Bewohner und ihre Vorlieben gibt es allerdings genug. Manches kommt einem bekannt vor, vieles gibt allerdings Rätsel auf. Ausgangspunkt waren Bilder von umgebauten Möbeln, die Paul Spengemann in Internetforen entdeckt hat. Es handelt sich um Vorlagen und Tipps für den Tierhausbau, welche die Community miteinander teilt. Daraus greift der Künstler Elemente auf und ergänzt sie mit Gegenständen, die er auf Internetseiten von Einrichtungshäusern oder in Bildarchiven findet. Diese setzt er im dreidimensionalen Raum zusammen, vergleichbar mit der Software, die man auch zur Konfiguration von Inneneinrichtungen und Einbausystemen nutzt. Die Einrichtungsgegenstände wirken daher genauso neu und unbenutzt wie eine animierte Ikea-Küche. Eine gewisse Patina, Staub und Wollmäuse oder einen Keks legt Spengemann bewusst als Köder für die Phantasie aus. Wurden diese Materialassemblagen von einem liebevollen Tierbesitzer konstruiert? Oder hat sich hier ein ungebetener Gast selbst eingenistet? Ist jemand gerade ein- oder schon wieder ausgezogen?
Das Zusammenleben von Mensch und Tier beschäftigt Paul Spengemann auch in anderen Arbeiten. In der Videoarbeit Pocket Call (2021) taucht ein Floh auf dem Display eines Handys auf, das wie zufällig vergessen auf dem Boden des Ausstellungsraums liegt. Der Floh hat sich in der Hosentasche eingerichtet, aus welcher (ungewollt) ein Videoanruf auszugehen scheint, sodass er an das Licht der Kunstöffentlichkeit »gezerrt« wird. Der Floh gehört wie die Ratte zu einer Spezies, welche die Nähe des Menschen nicht scheut und gerade dadurch besonders überlebensfähig ist. Es handelt sich um besonders zähe Lebewesen, die sich ihrer Umgebung perfekt anpassen können und die man nur schwerlich wieder loswird, wenn sie erstmal eingezogen sind. So ist für einige die Ratte ein kuscheliges Haustier, für die meisten jedoch ein Schädling, ein Zeichen für mangelnde Hygiene.
Vielleicht lässt sich hier eine Parallele zur Kunst ziehen: Kunstwerke sind gute Mitbewohner, aber sie sind auch Eindringlinge in den privaten Raum, wo sie ihre (subversive) Kraft entfalten, wenn man sie lässt.
Das Wagnis, mit Kunst zu leben, gehen die meisten Griffelkunst-Mitglieder gerne ein. Besonders Mutige wählen die gesamte Serie und arrangieren alle sechs Motive zu einer großformatigen Wandarbeit so, wie Sie auf der folgenden Seite abgebildet ist. Doch auch jeweils zwei Motive lassen sich so miteinander kombinieren, dass es für die Ratte genug Auslauf und für die Kunst genügend Raum zur Entfaltung gibt. Die Edition lässt sich direkt auch ohne Rahmung auf die Wand kleben und genauso leicht wieder entfernen, denn das Temporäre ist Teil von Paul Spengemanns Konzept.
Paul Spengemann
1987 geboren in Hamburg, lebt und arbeitet in Hamburg