A-Reihe / 381. Wahl
I. Quartal 2021
Holzdruck
1. ohne Titel
86,0 × 66,0 cm / 64,0 × 52,0 cm
2. ohne Titel
86,0 × 66,0 cm / 58,0 × 43,5 cm
3. ohne Titel
86,0 × 66,0 cm / 64,0 × 52,0 cm
4. ohne Titel
86,0 × 66,0 cm / 67,5 × 55,5 cm
5. ohne Titel
66,0 × 86,0 cm/ 49,0 × 60,0 cm
6. ohne Titel
66,0 × 86,0 cm/ 51,5 × 57,5 cm
Papierqualität: 224 g/qm RT Funktional
Druck: Atelier für Druckgrafik, Wedel
Über Gedanken, die wie Pilze aus dem Kopf schießen
von Brigitte Bedei
Die Bilderwelt der japanischen Künstlerin Nobuko Watabiki scheint auf den ersten Blick einfach. Die großformatig angelegten Motive, die zwischen Gegenständlichkeit und Gegenstandslosigkeit changieren, bestehen aus runden und ovalen Formen, die flächig angelegt sind. In einer reduzierten Formensprache entwickelt die Künstlerin in klaren, kontrastreichen Farben Bilder, die an Märchenhaftes erinnern. In ihrer Holzdruck-Serie gewährt sie uns Einblicke in ihre Vorstellungswelt, die einerseits die eigene Verfasstheit zeigen, andererseits eine Auseinandersetzung mit den großen Themen unseres Seins visualisieren.
Die Serie beginnt mit zwei großen, stilisierten Köpfen, die uns frontal gegenüberstehen und so in Beziehung mit uns als Betrachter treten. »Wir sind die gelben Leute mit schwarzen Haaren«, sagt die japanische Künstlerin und zeigt ein gelbes Gesicht, in dem es keine ausgeführten Gesichtszüge gibt, lediglich Augen. Daneben ein weiterer Kopf in Rosa, diesmal ohne Augen, aber mit vielen Gedanken im Kopf. Mit der Hand arbeiten und Nachdenken, das bestimme ihr Leben sagt Nobuko – ihre Bilder zeugen davon. Ebensogut könnte der Kopf aber auch eine Blüte sein, und so zieht sie häufig Parallelen zum Reich der Pflanzen. Die an Fliegenpilze erinnernden Gedanken habe sie in einem Kinderbuch entdeckt und gedacht, sie seien erfunden. Seitdem taucht das Motiv häufig in ihren Bildern auf, denn sie ist fasziniert von dieser hybriden Kreatur des Pilzes, die nicht Tier und nicht Pflanze ist. Aus dem Pflanzenreich stammen auch die folgenden drei Motive: Blüten, die durch Stängel miteinander verbunden sind, die sie halten und eine Verbindung untereinander schaffen; runde Formen, in drei Farben gedruckt, die durch ein Netz zusammengeführt werden und so zueinanderfinden. Immer geht es dabei um das Individuum und die Gruppe, Nähe und Distanz, Verbindung und Kommunikation. Und schließlich drei riesige Samenkapseln in kontrastreichen Farben, der Beginn des Lebens.
In der japanischen Kultur existiert eine Vorliebe für ungerade Zahlen. Insbesondere bei der Gestaltung mit Pflanzen gilt sie als glückbringend. Die gerade Zahl ist in Watabikis Bildern nur dann präsent, wenn es sich um die erste Mehrzahl, die Zwei handelt. So zeigt das letzte Motiv der Serie zwei blaue Planeten mit jeweils einem roten Haus darauf. Eine Hommage an Der Kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry, der von einem Planeten kommt, der kaum größer ist als ein Haus. Trifft der Kleine Prinz auf seiner Reise immer wieder auf Menschen, die nur mit sich selbst beschäftigt sind und alleine leben, sehen wir in dem Bild von Nobuko Watabiki zwei Häuser. Es sind ihre »Herzplätze«, die auf die Bedeutung von Familie, Freunden und Nachbarschaft verweisen.
Ausgeführt sind die Arbeiten der Künstlerin im Holzdruck. Speziell diese Drucktechnik hat Nobuko Watabiki in ihrem Heimatland Japan erlernt. Das Schneiden von großen Formen ins Holz kommt ihrer flächigen Formensprache, die sich in ihrer Malerei findet, entgegen. Daran, dass in Deutschland vorrangig mit Ölfarbe gedruckt wird, habe sie sich erst gewöhnen müssen und umdenken, sagt die Künstlerin. In Japan wird traditionell mit Wasserfarben gearbeitet. Das ergibt ein vollkommen anderes Druckbild, die Oberfläche ist geschlossen und die Farben wirken transparenter. Die hier mit Ölfarben gedruckten Holzstöcke hingegen zeigen die klassische Struktur der Holzmaserung, die den Bildern eine zusätzliche Ebene verleiht. Watabiki liebt starke Farben und Kontraste, so wie sie sie von den traditionellen japanischen Kimonos kennt. Mit ihren abstrakt anmutenden Köpfen, Blüten, Pflanzen und Häusern verleiht die Künstlerin all jenem Gestalt, was uns als Menschen miteinander verbindet.
Nabuko Watabiki
wurde 1958 in Tokio, Japan, geboren.
2008 kam sie mit einem Stipendium nach Hamburg, wo sie seitdem lebt und arbeitet.
Einzelausstellungen
2020 Paradies, Goldbekhof, Hamburg
2018 Facing Each Other is Intended, Galerie Renate Kammer, Hamburg (K)
Ausstellungsbeteiligungen
2020 Spring Accent: Japanese contemporary art, Whitestone Gallery, Taipei, Taiwan
2019 OPEN THE BOOK, FRISE Künstlerhaus Hamburg, Hamburg
Publikation
Courious Hands: Freeing myself and becoming a painter, Shobunsha publishing, Tokio, Japan, 2008