Beaches of the Lonely Men (self-portrait)
Lithographie
37,0 × 37,0 cm
Papierqualität: 300 g/qm Arches 88
Druck: Felix Bauer, Köln
Hersteller Mappe: Reset St. Pauli Druckerei, Hamburg
1. Beaches of the Lonely Men (white peak)
2. Beaches of the Lonely Men (green moon)
3. Beaches of the Lonely Men (orange eyes)
4. Beaches of the Lonely Men (brown creek)
5. Beaches of the Lonely Men (pink cheek)
6. Beaches of the Lonely Men (flat yellow)
Himmel im Kopf
Der in New York lebende Künstler Florian Meisenberg ist Zeichner, Performer, Video- und Installationskünstler. Er versteht sich jedoch zuallererst als Maler. Malerei ist auch in der aktuellen Edition das zentrale Medium, das der Künstler in seiner Arbeit befragt. In einem Interview, das Brigitte Bedei im August 2022 mit Florian Meisenberg per E-Mail geführt hat, sprechen sie über die »Skybox«, die als Vorlage für die Edition dient und die Idee von Raum – in der Malerei und der virtuellen Welt.
griffelkunst: Florian, wir haben vor genau zehn Jahren anlässlich Deiner ersten Edition für die griffelkunst ein Interview geführt. Die Malerei, sagtest Du, sei die Grundlage und Basis Deines künstlerischen Schaffens. Ist das bis heute so geblieben? Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Florian Meisenberg: Ja, das ist noch immer so. Ich würde sagen, dass sich die Fragen rund um die Malerei verändert haben, aber die Faszination für das Medium und das Potential der Malerei für mich nach wie vor gleich groß und intensiv sind. Wobei diese Fragestellungen wohl immer stärker aus einer virtuellen Perspektive entstehen.
griffelkunst: Du verbindest in Deiner Arbeit Malerei mit virtuellem Raum. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Florian Meisenberg: Es ist die Idee von unendlichem Raum, die beides verbindet. Diese Offenheit und gleichzeitig klaustrophobische Begrenztheit ist es, was mich an Malerei und virtuellem Raum seit jeher unfassbar fasziniert und mich zu immer neuen Experimenten und Expeditionen aufbrechen lässt. Es geht mir hier vor allem um die Rolle des Menschlichen in der Digitalisierung und darum, das Potential für philosophisch existentielle Fragen und Aufgabenstellungen dieser Räume zu verstehen.
griffelkunst: Deine aktuelle Edition hast Du in Form einer Skybox entwickelt. Sie erinnert an ein horizontal ausgerichtetes Kreuz oder einen ausgeklappten Würfel. Was hat es mit dieser Form auf sich?
Florian Meisenberg: Eine Skybox ist ein Hilfsmittel zum Erstellen von Hintergründen, um ein Videospiel Level größer erscheinen zu lassen, als es wirklich ist. Die Verarbeitung von 3D-Graphiken ist rechenintensiv, insbesondere in Echtzeitspielen und weist mehrere Grenzen auf. Ebenen müssen mit enormer Geschwindigkeit verarbeitet werden, was es schwierig macht, riesige Himmelslandschaften in Echtzeit zu rendern. Außerdem verfügen Echtzeitgraphiken im Allgemeinen über Tiefenpuffer mit begrenzter Bittiefe, wodurch die Menge an Details begrenzt wird, die aus der Ferne gerendert werden können. Um diese Probleme zu vermeiden, verwenden Spiele oft Skyboxen. Traditionell sind dies einfache Würfel mit bis zu sechs verschiedenen Texturen auf den Flächen. Durch sorgfältige Ausrichtung wird ein
Betrachter genau in der Mitte der Skybox die Illusion einer realen 3D-Welt um sich herum wahrnehmen, die aus diesen sechs Seiten besteht.
griffelkunst: Für alle sechs Seiten hast Du Motive entwickelt, die Elemente einer Landschaft zeigen. Diese vermischen sich mit abstrakten geometrischen Formen. Was simulieren sie?
Florian Meisenberg: Beim Einsatz einer Skybox wird das gesamte Spiel von einem Würfel umschlossen. Der Himmel, entfernte Berge, Gebäude und andere unerreichbare Objekte werden auf die Innen-Flächen des Würfels projiziert, wodurch die Illusion einer entfernten dreidimensionalen Umgebung entsteht. Diese Idee habe ich aufgegriffen und eine Landschaft entworfen, in die eine Art von Selbstporträt verwachsen ist. Das Porträt ist im Stil von 3D-Objekt- bzw. Avatar-Texturen gehalten, und verweist dadurch auf eine Faltung der Skybox nach außen hin. Da sich die Skybox konzeptuell ja eigentlich nach innen faltet, befinden sich also das Innen und Außen auf derselben Ebene.
griffelkunst: In Deiner Arbeit auf dem Lithostein schaffst Du unterschiedliche Strukturen zwischen verwaschen, soft in den Wolken und grob, kantig in der Bergformation. Welche Werkzeuge hast Du benutzt?
Florian Meisenberg: Für die graphischen Elemente und die schroffe Bergformation habe ich mit Kreide gearbeitet, alles Flächige ist mit Pinsel und Lithotusche entstanden und die unscharfen, weichen Formen mit Airbrush. Ich mag es sehr, Airbrush in die Lithographie zu holen und auf dem Stein zu arbeiten, denn man hat beim Einsatz von Airbrush ja kein direktes, haptisches Feedback, wie bei der Benutzung von Pinsel und Stift. Dadurch ist man im Unklaren, was genau passiert. Es entsteht eigentlich immer ein wunderbares Imperfekt.
B-Reihe / 346. Wahl IV. Quartal 2012
Lithographien
1. Magic moments of homeopathy & other adventures Part 1 62 x 50,5 cm / 47 x 37 cm
2. Magic moments of homeopathy & other adventures Part 2 62 x 50,5 cm / 47 x 37 cm
3. Magic moments of homeopathy & other adventures Part 3 62 x 50,5 cm / 47 x 37 cm
4. Magic moments of homeopathy & other adventures Part 4 62 x 50,5 cm / 47 x 37 cm
5. Magic moments of homeopathy & other adventures Part 5 62 x 50,5 cm / 52 x 42 cm
6. Magic moments of homeopathy & other adventures Part 6 62 x 50,5 cm / 47 x 37 cm
Papierqualität: 210 g/qm Zerkall Bütten
Drucker: Felix Bauer, Köln
Das Bild als Illusion
griffelkunst: Du hast von 2004 bis 2010 an der Kunstakademie Düsseldorf studiert und bist seit 2010 »Weltmeisterschüler« bei Peter Doig. Du bist Maler, Kunsttheoretiker, Galerist, Performancekünstler… In Deinen Ausstellungen kombinierst Du verschiedene Materialien, Techniken und Medien. Stehen sie alle gleichberechtigt nebeneinander oder gibt es ein bevorzugtes Medium?
Florian Meisenberg: Die Malerei empfinde ich als Grundlage und Basis meines allgemeinen künstlerischen Schaffens. So durchdringt ihr Geist auf gewisse Weise zum Beispiel auch meine Videos & Performances und wenn ich weiterdenke auch meine gesamte Wahrnehmung und fast schon Existenz.
gk: 2007 hast Du mit Deiner Freundin Anna K.E. die Gallery Hasen gegründet, mit der Ihr den Audi Art Award 2008 gewonnen habt. Existiert die Galerie nach wie vor? Was stellt Ihr aus?
FM: Ja, die Gallery Hasen existiert noch und wird wohl auch für eine kleine Ewigkeit bestehen, denn sie ist ja eine fiktive Galerie, die sich immer wieder an neuen Orten und Gegebenheiten in anderer Struktur temporär kristallisiert. Wir haben bereits viele Projekte realisiert und mit vielen Künstlern zusammengearbeitet, z.B. Peter Doig, Tal R, Gia Edzgveradze, Friedrich Kunath, Jonathan Meese, Christopher Williams und viele mehr.
Eines der letzten größeren Projekte im Schmela Haus K21 in Düsseldorf fand zur Beuys Ausstellung statt. Dort hatten wir mehr als 30 Künstler eingeladen, sich mit dem Hut von Beuys auseinanderzusetzen. Beuys hatte nämlich einem gewissen Peter Heisterkamp, als er in seine Klasse wechselte, dringend nahegelegt, endlich das Klischee des Pfeife rauchenden Künstlers, der seinem Professor nacheifert (Bruno Goller), abzulegen und er wurde dann sozusagen über Nacht zu dem legendären Plinky Palermo, den wir alle kennen. Wir wollten also den Beuys-Hut sozusagen entmystifizieren oder entmuffen und haben dann in einer riesigen, endlosen und chaotischen Auktion alle Kreationen von einem Christies-Auktionator aus London zu Gunsten der Künstler versteigern lassen… http://galleryhasen.blogspot.de/
gk: Du malst häufig auf textilen Materialien. Deine Bildträger spannst Du nicht auf Keilrahmen, sondern lose auf Leinen oder befestigst sie direkt an der Wand. Du malst auf Tischdecken, Betttüchern und Vorhängen. Alles wirkt irgendwie improvisiert und spontan.
Für die griffelkunst hast Du eine Serie von sechs Lithographien geschaffen, die in enger Anlehnung an Deine Malerei entstanden sind. Die Motive hast Du, in einzelne Farben zerlegt, direkt auf den Lithostein gemalt. Trotz des »Materialwechsels« ist den Motiven nichts an Leichtigkeit und Spontanität verloren gegangen. Wie war die Arbeit in der Werkstatt von Felix Bauer?
FM: Wirklich sehr gut! Felix ist ein hervorragender Drucker mit großer Erfahrung, aber vor allem hat er ein unglaubliches Gefühl und eine besondere Sensibilität für die Ideen und Vorstellungen des Künstlers. Er hat keinerlei Probleme, sich diesen Zielen voll und ganz zu verschreiben. Da er per Hand druckt, haben die Drucke eigentlich immer etwas Einzigartiges. Ich empfand die gesamte Zusammenarbeit als echte Kollaboration. Deswegen würde ich mich auch freuen, wenn sein Name in Zusammenhang mit meinen Drucken erwähnt würde.
gk: Fünf Deiner Motive hast Du im Irisdruck gedruckt, einem Verfahren, in dem mehrere Farben regenbogenartig mit ineinander laufenden Farbrändern gedruckt werden. Die ganze Serie ist so von einer effektvollen, pastelligen Farbigkeit geprägt. Warum dieser dekorativ anmutende Fond?
FM: Farbverläufe spielen in meiner Malerei eine wichtige Rolle und so war es mir ganz natürlich, diese Farbverläufe auch in der Lithographie zu verwenden. Zudem erlaubt es mir ja, auf einem Stein zwei Farben zu benutzen. Obwohl ich zugeben muss, dass ich meine Begeisterung für den Irisdruck mit Felix leider nicht teilen konnte ... Er ist ihm eigentlich zu vordergründig. Dennoch haben wir den dreifarbigen Irisdruck für 2015 geplant…
gk: Deine sechs Arbeiten sind nicht als Serie angelegt, jedes Blatt steht für sich. Dennoch gibt es bestimmte Formalien oder auch Motive, die immer wieder in Deinen Werken auftauchen: häufig läuft ein horizontaler Streifen am unteren Bildrand entlang. Oder das Bild wird durch einen aufgezogenen Vorhang am rechten Bildrand zur Bühne und erhält so etwas Illusionistisches. Gefäße formieren sich zu Stillleben und fliegende Körperteile erhalten in Deinen Bildern nahezu ornamentale Qualitäten. Das Bild als Bühne? Was spielen die Dinge für eine Rolle? Das letzte Motiv Deiner Serie erinnert an surreale Vorläufer. Es zeigt ein Bild im Bild im Bild. Hier scheint ein Künstler über seine eigene Sache zu reflektieren. Kann man Deine Kunst als selbstreferentiell bezeichnen?
FM: Die Malerei war und ist für mich immer Albtraum und Traum zugleich, denn wohl kein anderes Medium ist durch die große Tradition und Geschichte so sehr belegt und behaftet. So reizt es mich immer wieder, diese klaren Grenzen zu durchbrechen und zu überwinden. Ich denke, dass die klassische Idee des Bildes als Illusion eine Hauptmotivation für meinen endlosen Willen zum Experiment war und ist.
Ich habe mir dadurch über die Jahre eine Art Sammlung von Essenzen geschaffen, mit denen ich nun in einer neuen Sphäre oder auch Sprache experimentiere. Zudem beschäftige ich mich intensiv mit der Leere im Bild, in der Malerei, also den Leerstellen. In meinem Fall häufig die nackte Leinwand, auf der sich Spuren der Farbe und des Öls wie zeitlose Phänomene arrangieren. John Cage sagte einmal, dass Musik eigentlich immer nur Geschichten erzählt und er sich gelangweilt davon abgewandt Zuflucht bei den Geräuschen und der Stille gefunden hat. Ähnliches empfinde ich in der Malerei.
Das Interview für die griffelkunst führte Brigitte Bedei mit Florian Meisenberg im September 2012 per E-Mail.
Ein youtube-Kanal von Florian Meisenberg findet sich hier.
Florian Meisenberg
1980 geboren in Berlin