A-Reihe, 341. Wahl, I. Quartal 2011
New York und Chicago in den Vierziger Jahren schwarzweiß Photographien aus dem Nachlass
1. Blick von Midtown Manhattan auf Lower Manhattan, New York, um 1941 24,0 x 30,5 cm / 19,1 x 24,6 cm
2. Hochbahngerüst, Division Street, Lower Manhattan, New York, 1940 30,5 x 24,0 cm / 33,2 x 19,1 cm
3. Fulton Fischmarkt, New York, 1940 30,5 x 24,0 cm / 23,6 x 19,2 cm
4. Chicago River und Wacker Drive, Chicago, 1941 30,5 x 24,0 cm / 24,9 x 19,1 cm
5. Parkplatz und Geschäftsgebäude, Chicago, um 1940 30,5 x 24,0 cm / 23,9 x 19,2 cm
6. Barbershop, Chicago, 1941 30,5 x 24,0 cm / 23,7 x 19,2 cm
Serie mit Mappe und Textheft
Papierqualität: Ilford Multigrade FB warmton
Hersteller: Photo Studio 13, Leinfelden-Echterdingen
Mappe: Archivkarton mit Leinenrücken Hersteller
Mappe: Christian Zwang, Hamburg
Nach dem großen Anklang, den die beiden Einzelblätter von Andreas Feininger in der letzten Herbstwahl fanden, schätzen wir uns glücklich, Ihnen nun eine Serie des großen Photographen anbieten zu können. Wie die beiden Schiffsmotive aus dem Hafen von New York stammen auch die sechs für die Mappe ausgewählten Photographien aus den frühen 1940er Jahren und spiegeln Feiningers große Begeisterung für seine neue Heimat:
„Er photographierte die Hochhäuser, das Empire State Building, Feuertreppen, Wassertürme, Brücken, Hafenanlagen, Friedhöfe, die Geschäfte jüdischer, ita- lienischer, griechischer und anderer Einwanderer mit ihren fremdländischen Auslagen und Werbetexten, das Verkehrschaos zur Mittagszeit, die Armut der Lower East Side und die Schönheit des Central Park mit all den Menschen und Nationalitäten, atmosphärischen Dichten und himmlischen Weiten: New York in den Vierzigern – die Grundlage einer Photosequenz, die wie das expressionistische Totalgemälde einer Metropole, wie die Sinfonie einer Großstadt, die Innereien und die Haut dieses urbanen Organismus zeigt, eine Serie von Motiven, die seit über sechzig Jahren unser New-York-Bild beeinflusst und deshalb Andreas Feininger berühmt gemacht hat.“, wie Thomas Buchsteiner im Begleitheft zu unserer Mappe schreibt.
1939 war Andreas Feininger mit seiner Frau und seinem Sohn in die USA emigriert, wo bereits sein Vater, der Maler Lyonel Feininger, und sein jüngerer Bruder T. Lux lebten. Andreas Feininger, der zunächst am Bauhaus in Weimar Kunsttischler gelernt und anschließend Architektur an den staatlichen Bauschulen in Weimar und Zerbst studiert hatte, konzentrierte sich seit seiner Zeit in Stockholm auf die Photographie und hatte sich bereits einen Namen als Architekturphotograph gemacht, bevor er in die USA auswanderte. Hier nahm er seine Tätigkeit als Photograph wieder auf und wurde bei der „Black Star Picture Agency“ als Agenturphotograph angestellt. Trotz dieses zeitintensiven Jobs fand er nebenbei immer noch die Zeit, das zu photographieren, was ihn faszinierte: New York in allen seinen Facetten und aus den verschiedensten Perspektiven. Feiningers Aufnahmen wechseln zwischen der Nähe und Unmittelbarkeit eines Flaneurs, wie sie für die Street- Photography charakteristisch ist, zu Halbtotalen und Totalen aus großer Entfernung, welche die Stadt in ihrer gesamten Ausdehnung zu fassen suchen. Um die extremen Vertikalen der Wolkenkratzer ohne optische Verzerrungen darstellen zu können, verbesserte der Photograph die von ihm entwickelte Tele-Kamera kontinuierlich weiter und stellte auch alle Abzüge selbst her.
1941 lernte Feininger Wilson Hicks kennen, den damaligen Bildchef und stellvertretenden Chefredakteur des in New York herausgegebenen Life-Magazins, der Feiningers Arbeit schätzte und ihm anbot, als freier Photograph für sein Magazin zu arbeiten. Sein Einkommen lag damit nicht nur deutlich höher als in seiner Zeit als Agenturphotograph, sondern er gehörte von nun an auch zu der Riege der Photographen, die für das international führende Magazin für hervorragenden Bildjournalismus arbeiteten. Dort konnte er auch seine New-York-Aufnahmen veröffentlichen, die mit acht Bildern als groß angelegte Bildstrecke gedruckt wurden. Im Anschluss an die erfolgreich gelaufene Strecke bot Feininger Hicks eine Serie über amerikanische Großstädte an, für die er als erstes nach Chicago reiste. Dort photographierte er mit ebenso großer Begeisterung und ebenso hoher technischer Präzision wie zuvor in New York. Doch nach seiner Rückkehr aus Chicago rückte mit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor die Politik in den Vordergrund, und die Photoserie wurde nicht veröffentlicht.
Mit der Edition für die griffelkunst freuen wir uns, Ihnen je drei Aufnahmen eben dieser berühmten und Stil prägenden Städteporträts von New York und Chicago zusammen in einer Mappe vorstellen zu können.
von Stephanie Bunk
E 463 Schiffe auf dem East River, New York, 1940
schwarzweiß Photographie aus dem Nachlass
40,0 x 50,0 cm / 30,5 x 39,5 cm
E 464 Fischmarkt in der South Street, New York, 1940
schwarzweiß Photographie aus dem Nachlass
50,0 x 40,0 cm / 39,5 x 30,5 cm
Papierqualität: Ilford Multigrade
Hersteller: Photo Studio 13, Leinfelden-Echterdingen
Als Einzelblätter freuen wir uns, Ihnen zwei großformatige Photographien von Andreas Feininger anbieten zu können. Die Edition der beiden Schiffs-Motive aus dem Jahr 1940 ist in enger Zusammenarbeit mit Thomas Buchsteiner vom „Andreas Feininger Archive“ entstanden, dem wir auch den folgenden Text zur Einführung in das Leben und Werk des bekannten Photographen verdanken:
Andreas Feininger wurde am 27. Dezember 1906 als ältester Sohn des berühmten Malers Lyonel Feininger in Paris geboren. Er gehört zu einer Künstlergeneration, die in den Zwanziger Jahren die Photographie als künstlerisches Medium für sich entdeckt und eine neue photographische Sehweise entwickelt hat. Klarheit, Einfachheit und Organisation sind für den Meisterphotographen die Grundprinzipien seiner Arbeit. Wie kaum ein anderer versteht er es, Bildinhalte mit strengen formalen Kriterien, wie Perspektive und Komposition, zu verknüpfen.
Am Bauhaus in Weimar, wo auch sein Vater als Lehrer tätig war, absolvierte Andreas Feininger zu Beginn der Zwanziger Jahre eine Ausbildung zum Kunsttischler. Anschließend studierte er Architektur an den staatlichen Bauschulen in Weimar und Zerbst. In dieser Zeit wuchs sein Interesse für die Photographie und die Begeisterung, all das ablichten zu können, was ihm wichtig war. Er beschäftigte sich zunächst mit ihren technischen Aspekten und experimentierte mit verschiedenen Verfahren wie Solarisation, Fotogramm und Bas-Relief. Weil er sich eine Kamera mit extremem Teleobjektiv nicht leisten konnte, konstruierte er sie selbst. Nach Abschluss seines Studiums arbeitete er zuerst als Architekt in Hamburg, danach für kurze Zeit bei dem Architekten Le Corbusier in Paris. Als Ausländer in Frankreich hatte er aber keine Chance auf eine offizielle Arbeitserlaubnis und zog deshalb 1933 mit seiner zukünftigen Frau, der Schwedin Gertrud Hägg, nach Stockholm. Er konzentrierte sich zunehmend auf die Photographie und machte sich schnell einen Namen als renommierter Architekturphotograph. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs emigrierte Andreas Feininger nach New York. Seine Stadtansichten der Metropole zählen heute zu den Klassikern der Photographiegeschichte. Zunächst freischaffend tätig, bekam er 1943 eine Festanstellung als Bildredakteur beim „Life“- Magazin angeboten. Fast zwanzig Jahre lang gehörte er dem berühmten Photographenstab der Zeitschrift an, die dem modernen Bildjournalismus den Weg bereitete. 1962 verließ Andreas Feininger das Magazin, um sich verstärkt auf seine Arbeit an Buchpublikationen zu konzentrieren. Dazu gehören auch zahlreiche Lehrbücher der Photographie, die längst zu Standardwerken der Photoschule geworden sind.
Andreas Feiningers Werk ist von zwei großen Themenkomplexen bestimmt: Großstadt und Natur. Die Architektur und das urbane Leben in seiner Wahlheimat New York haben ihn über die Jahrzehnte hinweg gefesselt. Immer wieder hielt er die Skyline von Manhattan, die Straßenschluchten, die Wolkenkratzer, die Brücken und Hochbahnen fest. Und immer wieder – in New York, in Stockholm und zuvor in „seinem“ Hamburg – waren es die ankommenden, ablegenden, an den Pieren festgemachten Schiffe, die ihn in Bann zogen und die er in atmosphärisch dichten Bildern festgehalten hat. Schiffe und Boote jeglicher Art faszinierten die gesamte Feininger-Familie. Für diese Leidenschaft war wohl Vater Lyonel verantwortlich, der bereits als Kind und später zusammen mit seinen Söhnen Modellschiffe gebaut hatte und um die Wette segeln ließ. Was Vater „Papileo“ und Bruder T. Lux dann auch leidenschaftlich gerne malten, fing Andreas Feininger mit seiner Kamera ein. Bilder, in denen man den Hafen geradezu riechen kann, in denen man die Sehnsucht spürt, die an Bord der auslaufenden Schiffe mitfährt. Mit derselben Begeisterung widmete sich Andreas Feininger auch seinen Naturstudien. Seine minutiösen Detailaufnahmen von Insekten, Blumen, Muscheln, Holz und Steinen verleihen den in der Natur vorgefundenen Formen oft einen skulpturalen Charakter. In der strengen Komposition der Bilder entfaltet der Mikrokosmos eine monumentale Wirkung. Ende der Achtziger Jahre hat Andreas Feininger das Photographieren aufgegeben. Er starb am 18. Februar 1999 im Alter von 92 Jahren in New York.
Dr. Thomas Buchsteiner, Andreas Feininger Archive, Tübingen