A-Reihe / 392. Wahl
IV. Quartal 2023
Radierung
40,0 × 30,0 cm / 25,7 × 19,5 cm
392 A1 Raised by the Internet
392 A2 Googleheim Museum
392 A3 SoftWhere?
392 A4 Off the Grid
392 A5 I miss the Future
Papierqualität: 300 g/qm Hahnemühle Alt Worms
Druck: Atelier für Druckgrafik, Wedel
Ich bin ein menschlicher Drucker
Die Bilder von Arno Beck sind Schnittstellen virtueller Computerwelten und manueller, künstlerischer Techniken. In seiner Edition zeigt er fünf Textarbeiten in Form linearer Darstellungen, die von einer CNC Maschine in die Kupferplatte gekratzt und als klassische Radierungen auf Papier gedruckt wurden. Wie sich das Digitale und das Analoge im Arbeitsprozess durchdringen, erfahren Sie in folgendem Interview, das Brigitte Bedei im Juli 2023 per E-Mail mit dem Künstler geführt hat:
griffelkunst: Du hast Freie Kunst an der Akademie in Düsseldorf studiert. Gibt es so etwas wie einen roten Faden in deiner künstlerischen Arbeit?
Arno Beck: Ja, ich habe bis 2015 Malerei an der Akademie studiert. Der rote Faden, dem ich bis heute folge, entstand gegen Ende meines Studiums. In meinem Werk bewege ich mich an der Schwelle zwischen Digitalem und Analogem. Getrieben von dem Bedürfnis, digitale Bildwelten in die Hände zu bekommen und buchstäblich »greifbar« zu machen, beschäftige ich mich mit digitalen Darstellungsformen und ihrer analogen Umsetzung. Da sich Bildschirmdarstellungen jeglicher Form der Oberflächenwahrnehmung entziehen und auf Information anstatt auf Materialität basieren, denke ich über analoge Übersetzungsmechanismen nach, um sie in einem malerisch-zeichnerischen Kontext geltend zu machen.
griffelkunst: Mit deinen linearen Zeichnungen generierst du Textarbeiten, die sehr an digitale Darstellungen denken lassen. Wie hast du deine Arbeit entwickelt?
Arno Beck: Wie die meisten meiner Arbeiten haben auch diese ihren Ursprung am Computer. Im ersten Schritt erstelle ich eine digitale Komposition, in der ich den Text schreibe und im entsprechenden Format platziere. Daraus generiere ich eine räumliche Darstellung, bei der die Buchstaben scheinbar aus der Ebene heraustreten. Hierfür nutze ich ein in Photoshop integriertes Skript, welches Bilder auf ihre unterschiedlichen Graustufen hin abtastet und daraus räumliche Darstellungen simuliert. Die vermeintliche Räumlichkeit wird erzeugt, indem tiefschwarz Dargestelltes im Bildraum nach vorne gezogen wird, während weiß Dargestelltes auf der neutralen 0-Ebene verbleibt.
griffelkunst: I miss the Future ist auf einem deiner Blätter zu lesen. Ist das ein Zitat? Was hat es auf sich mit deinen Wortspielen?
Arno Beck: Dies ist kein direktes Zitat, sondern geht auf die Auseinandersetzung mit den Büchern Retromania von Simon Reynolds und Ghosts of my Life von Mark Fischer zurück. Darin beschreiben die beiden Autoren das Ausbleiben von Zukunftsvisionen in unserer heutigen Popkultur und das Herausbilden einer Retrokultur zum beherrschenden Modus. Allerdings bejammere ich diese Entwicklung nicht von einer nostalgischen Warte aus, sondern finde diese Beobachtung faszinierend und scharfsinnig, insbesondere in Bezug auf meine Beschäftigung mit Subkulturen. Meine Textbilder sind humorvolle Kommentare und schlechte Wortspiele zu Internet- und Popkultur.
griffelkunst: In deiner Edition geht es auch um das Wechselspiel zwischen Handgemachtem und Digitalem. Wie hast du die digitale Darstellung in den realen Bildraum überführt? An welchem Punkt hat sich deine Hand eingemischt?
Arno Beck: Das Digitale und das Analoge durchdringen sich an unterschiedlichen Punkten in meinem Prozess. Basierend auf der zuvor beschriebenen generierten digitalen Darstellung erstelle ich auf meinem iPad mit einem Eingabestift eine Zeichnung, bei der horizontale Linien das Volumen der Buchstaben beschreiben. Dadurch entsteht auch die im Endresultat sichtbare Zittrigkeit in den Linien, die die Autorenschaft und das Eingreifen der Hand in den Prozess verdeutlichen. In Bezug auf diese Zeichnung programmiere ich einen Bewegungsablauf für eine CNCMaschine, die einen Meißel führt und damit die Linien in eine beschichtete Kupferplatte kratzt. Fehler erzwinge ich dabei nicht, heiße sie aber willkommen, um die Perfektion digitaler Bildwelten zu untergraben und auszuhebeln. Dabei mag ich rhythmische Versätze, die das Ganze ins Schwingen bringen und Digitalität vermenschlichen.
griffelkunst: Wie hast du deine Zeichnungen druckgraphisch umgesetzt? Wie zeitaufwendig war der Herstellungsprozess der Druckform? Hattest du technische Hilfsmittel?
Arno Beck: Die Zeichnungen auf den beschichten Kupferplatten werden zunächst mit dem von der CNC-Maschine geführten Meißel erstellt. Dieses kann je nach Komplexität und Größe der Platte einige Stunden dauern. Danach folgt der klassische Teil einer Strichätzung bei dem die Kupferplatten für jeweils eine Stunde mit Eisenchlorid geätzt werden.
griffelkunst: Du hast deine Zeichnungen also in ganz klassische Druckgraphiken, die Radierung, überführt. Wie ist generell dein Verhältnis zur Druckgraphik?
Arno Beck: Druckgraphik finde ich auf unterschiedlichen Ebenen recht passend für die Bearbeitung meines Sujets. Hierbei mag ich z.B. das Spannungsgefüge traditioneller Umsetzung und zeitgenössischer Bildform. Auch fasziniert mich, dass es sich beim Resultat um eine Prägung handelt, wodurch eine ursprünglich computergenerierte Graphik plötzlich haptisch und physisch erfahrbar wird. Das Aushebeln von Perfektion und Kälte durch die inhärente Lebendigkeit der Druckgraphik empfinde ich als auratisierend und belebend. Es würde mich nicht reizen, das am Bildschirm Vorliegende auszudrucken.
Holzdruck habe ich bereits im Zusammenhang mit digitaler Darstellung eingesetzt, wobei mich die Gegensätze zwischen organischer Materialität und digitaler Kälte fasziniert haben. Im Falle der Radierung ist dies meine erste Strichätzung, die ich angefertigt habe, und damit noch Neuland für mich.
Arno Beck
1985 geboren in Bonn, lebt und arbeitet in Bonn