Via Lewandowsky
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von Annett Reckert
Wer im Schriftlichen eine Auslassung kenntlich machen will, setzt drei Punkte hintereinander. Für einen Text über Via Lewandowskys Spiegelobjekt What Wasn’t Said ist das ein Segen … Wer will schon, nach allem, was die Literatur zu bieten hat …, in gebotener Kürze Substantielles über das hoch besetzte Phänomen des Spiegels und des Spiegelns versuchen? Über Eitelkeit, Erkenntnis, Wahrheit, …? Die Fallhöhe, auf die sich ein Spiegelkünstler heutzutage begibt, ist enorm, was Via Lewandowsky nicht erschreckt. Ganz im Gegenteil … Er gibt seinem Spiegelobjekt What Wasn’t Said die Form einer Sprechblase. In und auf dieser Sprechblase sind drei (…) geschliffene Glasedelsteine angebracht. Unabhängig von Ort und Zeit lässt allein die Idee dieser Formerfindung die Gedanken funkeln. Wer leibhaftig in Lewandowskys Spiegel schaut, wird für die Dauer dieser Anwesenheit zu einem Teil des Werks. Reflexartig wird die eigene optische Tagesform befragt. Wer länger stumm und sinnierend schaut, wird über das Verhältnis von Sein und Schein, von Kunst und Realität und hier speziell von Sehen, Denken und Sprechen nachdenken. Wollte man all das textlich in den Griff bekommen, (s.o. Segen der Auslassung), müsste man dem sprichwörtlichen Absondern von Sprechblasen verfallen …
Dieses Negativimage rührt vermutlich von der sprachlichen Unterkomplexität, die dem modernen, etwa seit den 1890er- Jahren entstandenen Comic lange unterstellt wurde. Seit man in den Spruchbändern mittelalterlicher Darstellungen historische Vorgänger sieht, seit Dada und Pop … geht es jedoch mit der Sprechblase aufwärts. Dabei fasziniert Via Lewandowsky die steile Karriere der Denk-, Sprech- und nun auch Geräteblasen in den letzten Jahren. Längst sind sie zu omnipräsenten Zeichen einer medialen Weltkultur geworden. Vor allem in Textnachrichten und Memes werden sie eskalierend verwendet.
Was so fix und putzig in unsere vermeintlich globale Kommunikation geploppt ist, wird von Menschen eingesetzt, die bei genauerer Betrachtung auch nur in ihrer medialen Bubble hocken. Währenddessen scheinen die realen kommunikativen Räume einer als multiple vulnerable diagnostizierten Gesellschaft zu schrumpfen. Damit ist auch für das Ungesagte und das Mysterium des Unsagbaren die Luft dünner geworden. Vielleicht ist das der Grund, warum in einer Art Übersprungshandlung derzeit unfassbar Viele inflationär den Begriff unfassbar verwenden. Alles ist unfassbar lecker, unfassbar nice, … Diese und andere sprachlichen Eskalationen lassen sich gut in Sprechblasen absondern; Poesie und Kunst brauchen im Allgemeinen mehr Raum. Im Falle von Lewandowskys Blase ist es der unendliche Raum des Spiegels und die letztlich sehr persönliche Frage »Was ist nicht gesagt worden?«, vielleicht auch der Rat, die Dinge zu sagen, – bevor es zu spät ist …
Wer die Gunst der Stunde erkennt und sich Via Lewandowskys Spiegel nach Hause holt, sichert sich eine bezaubernde Gedankenreflexzone, der es noch dazu an Humor nicht fehlt. Schließlich geht es in ästhetisch schöner Form auch um einen eitlen Wettstreit der Glanzbesten: um die Konkurrenz des Spiegels mit den kapitalen Klunkern und deren Vermögen, die Welt zu facettieren. Damit sind mit What Wasn’t Said auch Gag, Glitter und Glam geboten, durchaus ein wenig Tivoli, an dem sich Via Lewandowsky mitunter mehr inspiriert als an den Schwergewichten der Kunstgeschichte. Spektakel, Verführung, Verblüffung, …

Via Lewandowsky
1963 geboren in Dresden,
lebt und arbeitet in Berlin