VEGA (Samuel Nyholm und Olav Westphalen)
A-Reihe, 400. Wahl, IV. Quartal 2025

Erzählte Geschichte(n)
von Stephanie Bunk
Die griffelkunst ist ein Verein. Nicht irgendeiner, aber doch auch ein Verein. Unsere Mitglieder sind also Vereinsmenschen. Und wo ein Verein ist, da ist ein zweiter nicht weit. Der Verein für erzählerische Geschichtsaufarbeitung (VEGA) hat sich 2023 gegründet. Anlass war die Feier des 200. Geburtstages des Bremer Kunstvereins und seines Kupferstichkabinetts in der Bremer Kunsthalle. Diese hatte die beiden Künstler Samuel Nyholm und Olav Westphalen eingeladen, einen anderen Blick auf die graphische Sammlung und die Vereinsgeschichte zu werfen. Die Idee dazu hatte Dr. Annett Reckert, Kuratorin für moderne und zeitgenössische Kunst und Leiterin des Kupferstichkabinetts, die außerdem Beiratsund Jurymitglied der griffelkunst ist. Vereinsmensch durch und durch, hat sie die beiden vorgeschlagen, zur 400. Wahl die Geschichte der griffelkunst aufzuarbeiten. Diese ist nur halb so lang wie die Geschichte des Bremer Kunstvereins, aber das Vereinsleben ist komplex. Das Wahlprocedere hat sich zwar seit 1925 kaum verändert, doch selbst alte Hasen fragen regelmäßig nach, in welcher Wahlreihe sie sind. Davon haben sich die beiden Künstler nicht abschrecken lassen. Samuel Nyholm und Olav Westphalen haben es sich zur Aufgabe aufgemacht, die griffelkunst von innen heraus zu verstehen, und das gelingt am besten über die Herzen und die Wohnzimmer unserer Mitglieder.
Ein von VEGA eigens entwickelter Fragebogen ging mit dem Frühjahrsmagazin an alle Mitglieder. Natürlich wurde nach den Lieblingswerken gefragt. Aber auch nach denen, die man überhaupt nicht mag. Eine Frage ist den verpassten Chancen gewidmet, der Reue, eine Serie gar nicht oder daraus nur ein Blatt gewählt zu haben. Frage 3 zielt auf persönliche Erinnerungen ab. Nicht einfach zu beantworten war die Frage nach Werken, die Hoffnung machen. Umso vielfältiger fielen die Antworten aus. Rund 250 Mitglieder haben an der Befragung teilgenommen. Viele haben ihre Sammlung kommentiert, vom ersten Blatt erzählt und wie sie die griffelkunst durch das ganze Leben, auch durch schwere Zeiten hindurch, begleitet hat.
Sämtliche Antworten haben Olav Westphalen und Samuel Nyholm gelesen und katalogisiert. Mit den Mitteln der »radikalen Bürokratie«, wie Excel-Tabellen, Listen, Stempeln, und denen der Schönheit, wie Collage und Zeichnung, haben sie die Antworten ausgewertet. Die Ergebnisse stellen Sie unseren Mitgliedern in drei verschiedenen Formen vor: In Form einer Ausstellung und einer Performance auf unserem Sommerfest Ende August, auf dem ausgewählte Antworten aus den Fragebögen von Mitgliedern auf T-Shirts präsentiert wurden. Als Booklet, das diesem Magazin beiliegt. Und als Edition, die sich vor allem den Photos von Wohnungseinrichtungen widmet, die als Antwort auf Frage 6 gesendet wurden. Mit der Edition kehren die Geschichten und Anekdoten rund um die griffelkunst an ihren Entstehungsort zurück, an die Wände und in die Mappen unserer Mitglieder. Jedes Motiv zeigt einen anderen (Wohn)Stil. Im Vordergrund sind verschiedene Vasen zu sehen, z.B. von Stefan Marx. Eine Hanfpflanze ragt aus einem Exemplar heraus, in deren an die römische Antike erinnerndes Muster ein Motiv von Heike Kati Barath eingearbeitet wurde. Die verschiedenen Bildsprachen und Kunststile prallen in der Edition von VEGA aufeinander – wie sie es auch in den Wohnzimmern vieler Griffelkunst- Mitglieder tun. Entstanden ist ein wilder Mix, ein Pastiche aus real existierenden Interieurs, (Designer)Möbeln, Andenken und griffelkunst, die es auf jedem Blatt zu entdecken gilt. Mal handelt es sich um Lieblingseditionen, mal um das genaue Gegenteil – vereint in ein und demselben Bild.
VEGA
Olav Westphalen
1963 geboren in Hamburg,
lebt und arbeitet in Dresden und
Stockholm, Schweden
Samuel Nyholm
1973 geboren in Lund, Schweden,
lebt und arbeitet in Bremen und Lund,
Schweden