griffelkunst

Monika Grzymala

E 487 2013

E 487 Sorry, Albrecht 49,5 x 69 cm
E 487 Sorry, Albrecht 49,5 x 69 cm

Ein zeichnerischer Dialog

von Brigitte Bedei

Für die griffelkunst hat Monika Grzymala in den letzten Jahren zwei Editionen entwickelt, in denen die Auseinandersetzung mit Zeichnung und Linie im Vordergrund steht. Ihre aktuelle Edition ist von Albrecht Dürers Serie der Knoten inspiriert. Das Mandalaprinzip hat Dürer von Leonardo Da Vinci übernommen und in einer Reihe von sechs immer komplexer werdenden Variationen des Ornaments weiterentwickelt. Die eindrucksvoll mäandernden, vor über 500 Jahren entstandenen Holzschnitte von Dürer haben Monika Grzymala angeregt, einen Prägedruck in handgeschöpftem Washi Papier zu schaffen und sich zeichnerisch mit der komplexen Mandala-Struktur von Dürers Graphik Der fünfte Knoten auseinanderzusetzen. Faszinierend ist die raumbildende Kraft der endlosen Linie, die als Hauptmotiv des verschlungenen Ornaments kein Davor und kein Dahinter kennt. Dadurch oszillieren die Vorstellungen von Fläche und Raum, was auch in den Raumzeichnungen und Papierarbeiten der Künstlerin ein kontinuierliches Thema ist. In der neuen Edition Sorry, Albrecht sind zwei kreisförmige Prägedrucke mittig auf dem Blatt platziert. Links steht die Idealform des Ornaments nach Vorlage von Dürer, rechts das Anti-Ornament nach Grzymala, das im Scheitern die Befreiung der Linie manifestiert. Somit setzt die Künstlerin ihre eigene zeichnerische Logik gegen die Ornamentgraphik von Dürer und beschreibt ihre Arbeit:
»Zeichnet man eine Linie, dann gibt diese Zeichnung nur die Linie selbst wieder. In meiner zeichnerischen Arbeit beschäftige ich mich mit der Essenz der Zeichnung, das Vokabular basiert ausschließlich auf der Linie. In meinen raumbezogenen Arbeiten und Zeichnungen in handgeschöpftem Papier thematisiere ich die Emanzipation der Linie immer wieder neu. Die Zeichnung als Kraftfeld entsteht aus sich selbst heraus – in gewisser Weise ein Antiornament, das beide Pole Ordnung und Chaos in sich trägt. In Dürers Knoten schafft die Ornamentlinie Ordnung und Stringenz und wird von Knoten zu Knoten immer komplexer. Beim Anblick der komplexen Holzschnitte in einer Ornament Ausstellung war ich fasziniert und irritiert zugleich. Dürer folgt dem Pfad des Ornaments mit einer großen Entschiedenheit und schafft damit ein vollkommen symmetrisches, logisches Kraftfeld. Die Linie in meiner Zeichnung verfolgt ein anderes Ziel, nämlich von sich selbst zu erzählen, sie lebt und vergeht im eigenen Kosmos.«

E 465 2010


E 465 Linea, 2010

E 465 Linea, 2010


Vor drei Jahren habe ich meine Druckedition mit dem Titel „Next“ für die griffelkunst entwickelt. Die sechsteilige Sequenz von Lithographien und Linolschnittprägungen verwies im Fluss der bildgebenden Linie auf das nächste Blatt. Der rückseitig mit Hand aufgebrachte Stempel wiederum auf die Multiplikation der Zeichnung im Druckprozess, darüber hinaus durch verso angebrachte Nummerierung in der Reihenfolge von 1/1 bis 6/6, auf den nächsten Erwerber des nächsten Blattes. Im Gedankenspiel bei der Konzeption dieser Graphikserie offenbarte der knappe Titel gleichzeitig auch alle weiteren Aspekte der Beziehung zwischen Kunstproduzenten und Kunsterwerber. Mit der besonderen Aufgabenstellung, meine allererste Edition für eine komplex strukturierte Vereinigung wie die griffelkunst zu entwickeln, konnte ich als Künstlerin neben der handwerklichen Arbeit an Zeichnung, Verpackung, Signatur, auch auf der Metaebene die Zusammenhänge des Flechtwerks einer Vereinigung von Druckgraphiksammlern offenlegen. Nach der Herausgabe der zahlreich bestellten Exemplare von „Next“ kamen relativ bald Fragen von Käufern der Serie, wie die recht großformatige Druckedition am besten zu rahmen und in einem Wohnraum zu präsentieren wäre. – Stets war meine Antwort die gleiche, dass ich eine offene, ungerahmte Hängung, die obere Kante an die Wand genagelt, die untere Kante luftig flatternd, empfehlen würde. So bewegen sich die sechs Blätter beim Vorbeigehen sachte in der Luft und scheinen mit ihrem Betrach- ter für einen Moment zu kommunizieren.
Das Multiple „Linea“ geht noch ein paar Schritte weiter in der Frage, wie man ein Kunstobjekt als Besitzer nicht nur betrachten, sondern auch handhaben kann. Vielmehr bleibt Ihnen überlassen, ob Sie das Kunstwerk in Zukunft in der Verpackung belassen und sich daran erfreuen, meine „Linea“ in Ihrer Sammlung zu haben, oder ob Sie die Linie herausnehmen möchten und selbst anfangen, die Nutzungs- möglichkeiten dieses Kunstwerks zu erforschen. Mein Gedanke bei der Entwicklung dieser zweibeziehungsweise dreidimensionalen Tuschezeichnung oder Kalligraphie ist, eher spielerisch mit Format und Dimensionalität umzugehen. Die Vorgaben sind daher auf das Nötigste reduziert, und es liegt eine Gebrauchsanregung anstatt -anweisung bei.

Man öffnet die Schachtel und sieht zunächst neben dem Titel „Linea“ ein kompaktes, schwarzes Bündel aus Linien. Beim Herausziehen der Linie aus der Verpackung entfaltet sich „Linea“ zur Skulptur mit variablen Maßen. Diese Skulptur könnte nun, ineinandergesteckt, zu einem festeren Körper geformt werden, horizontal in die Raumecke gehängt einen Schatten der Zeichnung an die Wand werfen, oder, vertikal hängend, sich im Luftzug wie eine kinetische Skulptur drehen und bewegen. Die Möglichkeiten sind genauso vielfältig wie Ihre Ideen. Alles was benötigt wird, ist neben Ihrer Experimentierfreude etwas Klebeband oder Faden und Nägel.
Je öfter das Papierobjekt gefaltet, ineinandergesteckt, auf- und abgehängt und neu geformt wird, desto mehr werden Spuren an der Linie sichtbar. Die Nutzung der Zeichnung/Skulptur verändert das Material und verwebt sich mit der Zeit mit Ihrer und meiner multifunktionalen „Linea“. Die Symbiose von Handhabung und Objekt, der Zyklus von Entstehen und Vergehen wird sichtbar.
Das Papierobjekt „Linea“, aus 12 Elementen bestehend, wurde nach meinem hand- gefertigten Prototyp der geschnittenen Tuschezeichnung per Laser 1.200-fach gestanzt. Nach Fertigstellung der Feinstanzung wurden alle Bausteine in meinem Berliner Atelier individuell mit schwarzem Permacell-Klebeband von meinem Assistenten Adam Clarke und mir persönlich zusammengefügt. Die zweidimensionale Linie wurde gefalzt und in Handarbeit einzeln in Schachteln mit Stempel und Gebrauchsanregung verpackt. Flach und auseinandergefaltet hat das Papierobjekt meine Körperlänge von 173 Zentimetern. Das ebenfalls mattschwarze Band, das die Verpackung umwickelt, hat die gleiche Länge.

Da die ursprüngliche Handzeichnung eine Signatur per se ist, befindet sich meine Künstlersignatur nicht auf dem gestanzten Multiple direkt, sondern bewusst am Boden der Schachtel, in der bebilderten Gebrauchsanregung – sie wird erst sichtbar, wenn Sie das Linienbündel herausnehmen. Viel Freude an „Linea“!

Monika Grzymala, Berlin, August 2010

A-REIHE, 328. WAHL, IV. QUARTAL 2007

328 A1 Next 1 76,5 x 45,7 cm / 62,4 x 45,7 cm

328 A1 Next 1 76,5 x 45,7 cm / 62,4 x 45,7 cm

328 A2 Next 2 76,5 x 45,7 cm / 64,5 x 45,7 cm

328 A2 Next 2 76,5 x 45,7 cm / 64,5 x 45,7 cm

328 A3 Next 3 76,5 x 45,7 cm / 63,5 x 45,7 cm
328 A3 Next 3 76,5 x 45,7 cm / 63,5 x 45,7 cm
328 A4 Next 4 76,5 x 45,7 cm / 63,0 x 45,7 cm

328 A4 Next 4 76,5 x 45,7 cm / 63,0 x 45,7 cm

328 A5 Next 5 76,5 x 45,7 cm / 63,8 x 45,7 cm

328 A5 Next 5 76,5 x 45,7 cm / 63,8 x 45,7 cm

328 A6 Next 6 76,5 x 45,7 cm / 63,0 x 45,7 cm
328 A6 Next 6 76,5 x 45,7 cm / 63,0 x 45,7 cm