Maximilian Kirmse
A-Reihe, 398. Wahl, II. Quartal 2025
Es gibt immer was zu zeichnen.
Ohne anderen deutschen Städten Unrecht tun zu wollen – aber Berlin ist nicht nur photogen, sondern auch als Gegenstand der Malerei unerreicht. Dass das bis heute so ist, zeigt Maximilian Kirmse. In seinen Malereien, die an Strömungen der Moderne wie dem Pointillismus oder Impressionismus sowie Graffiti und Comic erinnern lassen, setzt er mal poetische, mal roughe Großstadtszenen ins Bild.
griffelkunst: Maximilian, du bist ein Berliner. Das behaupten viele von sich, aber bei dir stimmt es wirklich. Für dein Studium der Malerei bist du erst nach Leipzig und dann Düsseldorf gezogen.
Maximilian Kirmse: Und ob das stimmt. Leipzig ist natürlich nicht so weit, aber es war mein erster Schritt hinaus in die große weite Welt. In Leipzig habe ich viel über das Handwerk des Malens und Zeichnens gelernt und in Düsseldorf über Selbstbewusstsein, wie man sich verkauft oder besser: sich selbst darstellt und nicht alles ständig in Frage stellt. Seit 2014 lebe ich wieder in Berlin, diesmal im Westen der Stadt. Viel neues, unbekanntes Terrain. Da wir, Fid. Fischer und ich, alsbald Eltern von Zwillingen wurden, gab es erst mal einen harten Cut. Erst ganz allmählich konnte ich wieder mit der Arbeit beginnen. Aber das war gut. Noch einmal von vorn anzufangen und mit den Kindern die Welt von Grund auf neu zu entdecken. Die vielen Dinge, die ich im Alltag gar nicht mehr wahrnahm, zu betrachten, den Mann, den Motorroller, den Hund und so weiter.
griffelkunst: Du malst nicht das, was man klischeehaft mit Berlin verbinden würde, sondern Alltagsszenen, die du auch anderswo finden könntest. Ist es für dich wichtig, dass man Berlin als Berlin erkennt?
Maximilian Kirmse: Das Bild sollte auch ohne den Wiedererkennungseffekt funktionieren, klar. Aber wenn man dann weiß, aha das ist die Potsdamer Straße und das ist der Pallas und kennt ein bisschen die Geschichten und den Vibe, dann macht sich natürlich eine weitere Ebene auf. Und diese Aufladung ist gewollt. Und ja, der Alltag – da passieren doch die wichtigen Dinge. Die Umstände wie und wo wir leben. Das Wasser, das wir trinken. Die Traurigkeit, die wir spüren.
griffelkunst: Was du zeichnest, wirkt wie selbst erlebt. Muss man sich dich immer mit einem Skizzenblock in der Hand vorstellen?
Maximilian Kirmse: Manchmal auch mit Skizzenblock, durchaus. Ja, es geht immer um ein Erlebnis. Vor allem zeichne ich im Atelier. Und dann frage ich mich: Was beschäftigt dich gerade? Es gibt immer was zu zeichnen. Es ist wie Tagebuch zu führen. Und es gibt wirklich diese Momente, in denen mir ein Motiv so richtig vor die Füße fällt und ich weiß – das wird ein Bild. Das kann der Blick in die Kneipe sein, an der ich jeden Tag vorbeilaufe und auf einmal macht es Klick!
griffelkunst: Du nutzt alle malerischen und zeichnerischen Techniken und ihre Materialien. Es existieren von ähnlichen Motiven Arbeiten auf Papier und auf Leinwand. Wie entscheidest du, was die richtige Form ist?
Maximilian Kirmse: Auf dem Papier läuft alles eher spielerisch ab. Ich benutze alle Materialien, die mir Spaß machen, und suche immer nach Papieren, die mich reizen. Die Pastellkreiden und Zeichenfedern habe ich irgendwann mal meiner Mutter abgenommen. Es darf einfach nicht langweilig werden. Die Malereien entstehen meistens nach einem Prozess, in dem ich das Motiv immer wieder in Varianten aufs Papier bringe. Jede Form hat dabei ihre Berechtigung. Eine schnelle Hell-Dunkel-Studie ist für mich nicht weniger wert. Im Gegenteil, sie kann das Wesentliche unter Umständen sogar besser auf den Punkt bringen. Für die Griffelkunst-Edition habe ich eine Art »Best-Of-Album« zusammengestellt, mit Bildideen, die ich sehr mag.
griffelkunst: Die Lithographie ist eine Technik, in der du bereits gearbeitet hast. Was reizt dich daran?
Maximilian Kirmse: Ehrlich gesagt, wollte ich schon immer mal in der Tabor-Presse drucken. Jahre lang habe ich versucht, selbst zu guten Ergebnissen in dieser Technik zu kommen, und irgendwann beschlossen, es beim Zeichnen zu belassen. Haha. Ich mag an der Technik, dass die Farbe so flach, trocken und sharp aufs Papier kommt. Und die Materialien, mit denen man zu tun hat: Stein, Schleifsand, Stahl, Holz, Leder, Balsamterpentinöl, wenig Plastik. Das ist einfach ein riesiger Aufwand und in Zeiten von viel schnelleren Vervielfältigungsmöglichkeiten eine herrlich entschleunigte druckgraphische Technik. Mit dem Wort Tradition habe ich meistens ein Problem, aber hier bekenne ich mich ganz klar dazu.
Das Gespräch führte Stephanie Bunk im Februar 2025 per E-Mail.
Maximilian Kirmse
1986 geboren in Berlin,
lebt und arbeitet in Berlin