griffelkunst

Ester Fleckner

B-Reihe, 398. Wahl, II. Quartal 2025

398 B1 Bad Nature (Soft Pink Deer) 1
398 B1 Bad Nature (Soft Pink Deer) 1
398 B2 Bad Nature (Soft Pink Deer) 2
398 B2 Bad Nature (Soft Pink Deer) 2
398 B3 Bad Nature (Soft Pink Deer) 3
398 B3 Bad Nature (Soft Pink Deer) 3
398 B4 Bad Nature (Silver Moose) 1
398 B4 Bad Nature (Silver Moose) 1
398 B5 Bad Nature (Silver Moose) 2
398 B5 Bad Nature (Silver Moose) 2

Bad Nature

Seit 2013 arbeitet Ester Fleckner konsequent mit dem Medium Holzschnitt. Das künstlerische Werk setzt sich thematisch mit Fragen zu Geschlecht, Identität und Körperlichkeit auseinander. Fleckners Arbeiten unterlaufen die Logik binärer Systeme, die auf einer strikten Zweiteilung beruhen und keine Zwischenräume oder Mehrdeutigkeiten zulassen. Durch sichtbare Korrekturen, Überlagerungen und bewusste Unregelmäßigkeiten wird Eindeutigkeit infrage gestellt. Ester Fleckner hat Kunst in Kopenhagen und Gender Studies in London studiert und ist 2018 mit einer Druckpresse im Gepäck auf die dänische Insel Møn gezogen. Brigitte Bedei hat mit Fleckner darüber gesprochen, wie sie das widerständige Medium Holzschnitt einsetzt.

griffelkunst: Seit über zehn Jahren arbeitest du mit der Technik des Holzschnitts – der ältesten Drucktechnik, die oft mit Widerstand und Materialität in Verbindung gebracht wird. Sie erfordert eine physische Auseinandersetzung mit dem Material. Wie beeinflusst dieser manuelle Prozess deine Bildsprache?

Ester Fleckner: Ich habe den Holzschnitt für meine Abschlussarbeit 2013 für die Serie Clit-dick Register gewählt und bin seitdem dabeigeblieben. Ich liebe es, dass der Schneideprozess ein Dialog mit dem Holz ist: Ich habe eine Vorstellung vom Ergebnis, aber nie die vollständige Kontrolle darüber. Es gibt immer Überraschungen, z.B. die Transformation einer Bleistiftskizze in einen viel abstrakteren, veränderten Druck. Die Schnittlinien, die ich setze, sind oft breiter und weniger präzise, und die Maserung und Oberfläche des Holzes variieren von Platte zu Platte. Ich nutze dieses Medium als Teil meines politischen Engagements für queere und transpolitische Themen – zum Beispiel, um durch das abstraktere Ergebnis binäre Kategorien und Klarheit in einem Motiv zu hinterfragen. In der Serie Woodbeds, brimming, in der sich geometrische Grundformen endlos auf großen Platten wiederholen, können Hand und Körper die strikte Kontinuität der Symmetrie und der uniformen Logik der Geometrie nicht perfekt umsetzen – stattdessen entstehen Variationen und »Fehler«. Das Medium erlaubt mir, mit Serialität zu spielen, indem ich zwischen den einzelnen Drucken weiter an den Platten schneide. So kann ich Serien schaffen, in denen sich Motive von Druck zu Druck weiterentwickeln – ein Spiel mit Themen wie Kollektivität und der Weigerung, statisch zu bleiben. Der Begriff »Widerstand« in Verbindung mit dem Holzschnitt ist etwas, das ich auf viele Arten – sowohl physisch als auch im übertragenen Sinne – aufgreife und weiterentwickle.

griffelkunst: In deiner fünfteiligen Serie für die griffelkunst hast du Wimpern als Motiv gewählt. Sie wirken fragil und intim, haben aber auch eine schützende Funktion. Welche Bedeutung haben sie für dich in diesem Kontext?

Ester Fleckner: Ich habe fünf einfache, fragmentierte Kompositionen aus Wimpern von Rothirschen und Elchen geschaffen. Derzeit arbeite ich in dem großen Themenfeld Queer Nature/Queer Ecologies, um Ideen von »natürlichem« und »unnatürlichem « Sexualverhalten und Geschlechterrollen zu hinterfragen – denn es gibt überall Queerness in der Pflanzen- und Tierwelt. Oft wird uns eine normative Erzählung über die Natur präsentiert, obwohl es viele andere Geschichten gibt. Rothirsche und Elche sind nur zwei von vielen Tierarten, bei denen homosexuelles Verhalten beobachtet wurde. Ich erforsche die fragmentierte und abstrakte Darstellung der Wimpern als eine Möglichkeit, mit klassischen, statischen Tierporträts zu spielen und die oft festgefahrenen Sichtweisen auf die Natur in Frage zu stellen.

griffelkunst: Silber und Rosa sind zentrale Farben in deiner Serie. Wofür stehen sie, und was verbindest du mit ihnen?

Ester Fleckner: Ich wähle für diese Werke Farben, die nicht die offensichtlichen oder klassischen Naturreferenzen sind – um Reflexionen anzuregen sowie als Teil eines abstrakten Ansatzes. Silber hat einen metallischen Glanz, reflektiert das Licht und erfordert eine Bewegung des Körpers, um die Drucke richtig zu betrachten. Es kann aber auch auf Glitzer und Pride in der queeren Kultur verweisen. Das sanfte Rosa gibt es in der Natur, aber es hat einen ungewöhnlichen, leicht schrägen Ton für einen Rothirsch. Rosa kann für Mitgefühl und Fürsorge stehen, aber auch für feminine Werte, die ich interessant finde, da der Rothirsch oft als »König des Waldes« oder »Löwe Nordeuropas « gefeiert wird und in der Kunstgeschichte endlos als Symbol für Größe, Macht und Männlichkeit dargestellt wurde – sowie als Ausdruck der Sehnsucht nach der Natur.

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Ester Fleckner

1983 geboren in Aarhus, Dänemark,
lebt und arbeitet auf Møn, Dänemark