griffelkunst

Edith Dekyndt

E 624, 2025

E 624 Blood Print 49,5 × 64,5 cm / 45,0 × 61,0 cm
E 624 Blood Print 49,5 × 64,5 cm / 45,0 × 61,0 cm

Vergängliche Ordnungen

von Brigitte Bedei

Die belgische Künstlerin Edith Dekyndt arbeitet mit Materialien, denen Vergänglichkeit eingeschrieben ist, oder die sie gezielt verändernden Prozessen aussetzt. So arbeitet sie etwa mit Staub, Haaren, Luft, Licht, Stoff und organischen Substanzen. Zudem macht sie in ihrem Werk das Unsichtbare erfahrbar, wie z.B. 2016 in Ground Control, einer Installation mit einem riesigen Heliumballon, der auf Luftströmungen und Temperatur reagiert und so Präsenz und Einfluss von Atmosphäre sichtbar macht.

Für ihre Griffelkunst-Edition wählt Dekyndt eine besonders intime Materialität: 1998 zeichnete sie mit ihrem eigenen Blut, nicht als dramatische Geste, sondern als Arbeit mit einem instabilen, lebendigen Medium. Blut trocknet, oxidiert und verändert seine Farbe. Für die Edition hat sie das Motiv im Siebdruck mit Tierblut reproduziert, stofflich nah am Original, jedoch mit verschobenem Ursprung. Als Druckträger dient kariertes Transparentpapier. Es ist kein neutraler Grund, sondern macht die Substanz auf beiden Seiten sichtbar, lässt sie schweben, ohne sie zu absorbieren. Motiv und Raster erinnern an Diagramme, an Rationalität und Präzision. Doch das Material widerspricht dieser Objektivität: Blut ist körperlich, intim, Träger von Identität und Verletzlichkeit. Die Farbe fließt ungleichmäßig, variiert in der Intensität und lässt das Motiv lebendig erscheinen.

Edith Dekyndts Werk bewegt sich zwischen wissenschaftlicher Beobachtung und poetischer Offenheit. Die Transparenz des Papiers verweist auf das Ephemere, das Nicht-Festzuhaltende. Blut verändert sich, verblasst durch Licht und Luft, und auch das fragile Papier verzieht sich im Druckprozess. So wird das scheinbar feste Raster in Bewegung versetzt.

Die Künstlerin interessiert sich für Gesten, die minimale Spuren hinterlassen, und für Materialien, die sich der Beständigkeit widersetzen. In der Edition versucht sie daher nicht, die Originalzeichnung zu fixieren, sondern öffnet sie: Sie schafft eine Form, in der das Werk weiterbesteht, sich verändern kann und seine Unabgeschlossenheit sichtbar bleibt.

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Edith Dekyndt

1960 geboren in Ypern, Belgien,
lebt und arbeitet in Brüssel, Belgien