Christiane Feser
Projekt-Reihe P 113 - 118
Wie sieht eine Kamera die Welt und wie sehen wir sie?
von Stephanie Bunk
Christiane Feser schafft dreidimensionale Bilder aus Papier, mit denen sie ein Nachdenken über das Verhältnis von Photographie und menschlichem Sehen anstößt. Für die griffelkunst hat die in Frankfurt lebende Künstlerin eine Schublade in ihrem Archivschrank aufgezogen, in der Einzelbilder landen, die beim Experimentieren entstanden sind. Zusammen mit unserem Leipziger Drucker Thomas Franke ist sie den Inhalt durchgegangen und hat Arbeiten ausgewählt, die für die Übersetzung in Druckgraphik spannend sind. Entstanden ist ein privates graphisches Kabinett, eine Sammlung von Ideen, die gleichzeitig einen Einblick in ihre Arbeitsweise und einen Ausblick auf künftige druckgraphische Experimente darstellt.
griffelkunst: Die Photographie ist für dich nicht nur ein Medium. Das Photographische ist auch ein zentrales Thema deiner Arbeit. Womit beschäftigst du dich genau?
Christiane Feser: Der Schwerpunkt meines Interesses und Forschens liegt in der Wahrnehmung von Bildern sowie in deren Wirkweise. Alle Bilder, besonders aber technische Bilder, wie Photographien, sind nur Abstraktionen, die wir unbewusst erstmal für Wirklichkeit halten. Bilder erzeugen Ansichten. Wir interpretieren sie automatisch und hinterfragen selten, wie sie entstehen. Um sie zu hinterfragen, wird eine gewisse Kenntnis ihrer eigenen Bedingungen benötigt, quasi die Grammatik, mit der sie ihre Sätze bilden. Diese untersucht sich am besten isoliert von einer Geschichte. Das ist der Grund, weshalb in meinen Arbeiten keine Gegenstände auftauchen, denn die würden sofort ablenken, indem sie spezifische Erfahrungen und Erinnerungen hervorrufen.
griffelkunst: Deine Werke sind abstrakte Bildräume, die sich aus geometrischen Formen zusammensetzen. Wie entstehen sie und warum hast du diese Form gewählt?
Christiane Feser: Mit ganz einfachen Mitteln und Materialien – Papierfaltungen, Stecknadeln, Glyzerintropfen, unsichtbaren Glasscheiben, kariertem Papier und minimalen graphischen Elementen – versuche ich jedes Mal aufs Neue, den Bildraum der Photographie aufzubrechen und zu erweitern. Die an sie gesetzte Erwartungshaltung zu unterlaufen und so dem Betrachter zu ermöglichen, sein eigenes Sehen zu reflektieren und vielleicht sogar neue Erfahrungen dabei zu machen. Es geht mir also darum, den Übergang vom schnellen Sehen zum langsamen Sehen zu bewirken. Für meine Arbeiten werden die so entstandenen Abbilder zum Material für weitere manuelle Interventionen. Hierdurch werden sie selbst dreidimensional und verwandeln sich so in Photo-Objekte, welche mit dem Licht des Ausstellungsraums sowie dem Standpunkt des Betrachters interagieren.
griffelkunst: Durch Thomas Franke hast du dich intensiv mit der Druckgraphik beschäftigt. Ihr fehlt die dritte Dimension, die für deine Arbeit so wichtig ist. Wie seid ihr damit umgegangen?
Christiane Feser: Für die Edition haben wir mit den Möglichkeiten des manufakturellen Druckes gearbeitet und diese ausgelotet. Gedruckt wurde auf Folie, Japanpapier, Chromoluxkarton und Papier, wobei wir alle Register gezogen und mit Prägungen, Siebdruck, selektivem Lack, Handoffset, Lithographie und Perlmuttstaub gearbeitet haben. Außerdem haben wir eine Farbe versteckt, die nur sichtbar wird, wenn man das entsprechende Bild ins direkte Sonnenlicht hält, was man bei einer normalen Photographie natürlich niemals machen sollte.
Das Gespräch führte Stephanie Bunk im Februar 2025 per E-Mail.

Christiane Feser
1977 geboren in Würzburg,
lebt und arbeitet in Frankfurt/Main