Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V.

<p>Aufbau der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst</p>
<p>Aufbau der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst</p>
<p>Aufbau der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst</p>

Aufbau der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst

<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>

Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst

<p>In der Druckwerkstatt von Thomas Franke ©griffelkunst</p>
<p>In der Druckwerkstatt von Thomas Franke ©griffelkunst</p>
<p>In der Druckwerkstatt von Thomas Franke ©griffelkunst</p>

In der Druckwerkstatt von Thomas Franke ©griffelkunst

<p>Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst</p>
<p>Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst</p>
<p>Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst</p>

Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst

<p>Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst</p>
<p>Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst</p>
<p>Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst</p>

Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst

Thomas Baldischwyler

380 A1
380 A2
380 A3
380 A4
380 A5
380 A6
380 A7
380 A8
380 A9
380 Box

A-Reihe / 380. Wahl
IV. Quartal 2020

Radierung
20,5 × 20,5 cm

Gioca Con I Moduli
1. Cartoncino (Grün)
2. Cartoncino (Schwarz)
3. Cartoncino (Rot)
4. Cartoncino (Schwarz)
5. Cartoncino (Rot)
6. Cartoncino (Grün)
7. Cartoncino (Grün)
8. Cartoncino (Schwarz)
9. Cartoncino (Rot)

Die gesamte Serie mit neun Drucken und 362.880 Kompositionsmöglichkeiten
ist als Legespiel in einer vom Künstler gestalteten Schachtel und Leporello
mit der Übersetzung aller italienischen Texte erhältlich.

Papierqualität: 360 g/qm Zerkall Alt Trier
Drucker: Handdruck Loeding & Sturm, Hamburg
Schachtel: 400 g/qm GD2
Hersteller: Norddeutsche Pappscheibenfabrik Synatschke & Sohn, Hamburg

The Father-Thing

von Thomas Baldischwyler

Am 1. Juni 2017 ersteigerte ich bei eBay das betagte Graphik-Spiel Composition. Der britische Verkäufer legte zu dem sowieso schon günstigen Kauf noch eine andere, an Op-Art erinnernde Geschicklichkeits-Herausforderung: Das von der Firma Waddington 1970 veröffentlichte Brettspiel Cube Fusion geschenkt zu bekommen, freute mich sehr. Weil aber die Box von Composition so handlich war, packte ich sie kurz vor dem Aufbruch in die Villa Massimo im August 2017 in die »Mitnehmen-Kiste« und ließ Cube Fusion mit seinen großen, an eine futuristische Stadtarchitektur erinnernden Figuren in meinem Hamburger Atelier zurück. In Rom angekommen war mein erstes zufälliges Ziel eine Ausstellung mit Arbeiten des mir unbekannten italienischen Künstlers Pablo Echaurren. Echaurren ist der Sohn des chilenischen Malers Roberto Matta. Und somit der Halbbruder vom noch bekannteren Sohn Mattas: Gordon Matta-Clark. In den 1950ern und 1960ern in einem soliden sozio-kulturellen Umfeld aufgewachsen, standen Pablo Echaurren sicher viele Türen offen. Genauso wie sein Vater und sein Halbbruder war er sehr talentiert und es war klar, dass er eine künstlerische Laufbahn einschlagen würde. Nach den ersten Ausstellungen in der hochklassigen Galerie von Arturo Schwarz und einer schicksalhaften Begegnung mit Gianfranco Baruchello verließ er aber unerwartet den Galeriebetrieb und beteiligte sich ab 1977 an der Bewegung der Indiani Metropolitani. Er produzierte nur noch Agitprop für linke Magazine, jegliche Form von Flugblättern, verschiedene Buch- und Plattencover. Diese Jahre wurden in Italien die bleierne Zeit genannt. Polizei-Gewalt und Anschläge unter falscher Flagge waren an der Tagesordnung und die Jugend griff zu drastischen Mitteln, um das Jetzt in der Hoffnung auf ein besseres Morgen zu verändern. In der erwähnten Ausstellung im Stadtteil Trastevere war ich vor allem von der Vielfalt seiner Arbeiten überrascht. Was mich aber am meisten fesselte, war die Tatsache, dass sich trotzdem eine bestimmte Bildform immer wieder durchsetzte: Die Blätter waren mit einem feingestrichelten Raster unterteilt und sahen aus wie Zeichnungen von LSDTrips. Ich hatte eine Vermutung, warum das so war und kontaktierte ihn Anfang 2018, um nach dem wirklichen Sinn zu fragen. Am Nachmittag des 5. Mai 2018 (Karl Marx’ 200stem Geburtstag) klingelte ich mit meinem römischen Freund Simone Auteri (einem Sizilianer mit abgebrochenem Kunstgeschichtsstudium, der sich seinen Eltern zuliebe für die Karriere in einem multinational operierenden Pharma-Konzern entschieden hatte) an Echaurrens Tür unweit des Tiber. Das darauf folgende, etwa zweistündige Gespräch verließ schnell das kunsthistorisch-technische Terrain, welches mich eigentlich interessierte, und wurde zu einem psychoanalytischen Exkurs. Gerade auch wegen des dazwischensitzenden, muttersprachlichen Interviewers Auteri entwickelte sich ein Gedankenfluss, der viel mit tatsächlichen, gefundenen und verlorenen Vätern zu tun hatte. Beim Auswerten war mir schnell klar, dass man diesen vielsprachigen Fluss auf eine langsame Art und Weise und in einer Grauzone zwischen dem Jetzt (digital) und dem Damals (analog) dokumentieren musste. Dafür schien mir die von einem anonymen Designer entworfene Oberfläche des mit nach Rom genommenen Spiels Composition perfekt zu sein. Nach einem langen Weg vom Kupferhändler im Stadtteil Tiburtina, über das Instituto Centrale per la Grafica hinter dem Trevi-Brunnen, meiner letztjährigen Präsentation im Berliner Martin-Gropius-Bau und der Hamburger Druckwerkstatt von Ellen Sturm-Loeding, ist diese Editions-Idee nun Wirklichkeit geworden. Ab Mai 2020 können die Mitglieder der Griffelkunst-Vereinigung den letzten Schritt tun, denn »L’arte non è un gioco di numeri ma di lettere«! –
Viel Spaß beim Spielen!

Projekt-Reihe

369./370. Wahl
I./II. Quartal 2018

P60 Buster Keaton, 2016/2018
Radierung, Pergaminhülle, beidseitig bedruckt
59,5 × 41,5 cm / 40,0 × 29,5 cm

P61 Stone Roses, 2016/2018
Lithographie, 2-farbig, Pergaminhülle, beidseitig bedruckt
59,5 × 41,5 cm / ca. 39,0 × 36,0 cm

P62 Toulouse Lautrec, 2016/2018
Lithographie auf Aquarell, Pergaminhülle, beidseitig bedruckt
59,5 × 41,5 cm / ca. 37,0 × 25,0 cm

Papierqualität Lithographie: 250 g/qm Alt Meißen
Papierqualität Radierung: 250 g/qm Hahnemühle Alt Worms
Drucker_innen: Ellen Sturm-Loeding, Carlos Leon, Lars Lundqvist, Hamburg
Pergaminhülle: 60 g/qm
Hersteller: Hera Papierverarbeitung, Nidda

Medienwechsel

Thomas Baldischwyler ist zurzeit Stipendiat in der Villa Massimo in Rom.
Brigitte Bedei hat ihn zu seinem dortigen Aufenthalt und zu seiner aktuellen Edition für die griffelkunst befragt:

griffelkunst: Thomas, wie lebt es sich als Künstler in Italien?

Thomas Baldischwyler: Im sicheren Schoß der Villa Massimo natürlich sehr angenehm. Ich bin allerdings mit einem strengen Konzept nach Italien gereist und durch meine Recherchen auf vielen Ebenen mit einem Land konfrontiert worden, das meine pessimistischsten Erwartungen übertroffen hat. In meinem Hauptprojekt geht es unter anderem um zwei Langspielplatten, die 1993 in Rom produziert worden sind und deren Klang-Ästhetik für mich so etwas wie ein Pre-Sentiment der auf vielen Ebenen zerstörerischen politischen Agenda Silvio Berlusconis und seiner Partei Forza Italia zu sein scheint. Dass Berlusconi 2018 aus der historischen Versenkung auftauchen könnte, hat mich bei meiner Ankunft im September unvorbereitet getroffen.

griffelkunst: Zurück nach Hamburg. 2016 warst Du auf unsere Einladung hin Stipendiat in der Druckwerkstatt von Ellen Sturm-Loeding. Zum Einstieg hast Du zunächst einmal verschiedene Wurstscheiben auf den Lithostein gelegt ...

Thomas Baldischwyler: Die Wurstscheiben waren der Chemie des Lithodrucks geschuldet. Nach einer kurzen Einführung dachte ich, dass man wegen dieser ohne Probleme eine Art Photogramm von handelsüblichen Wurstgesicht-Scheiben anfertigen könnte. Die Rechnung hatte ich leider ohne die Fleischerinnung gemacht: Der Fettanteil der Scheiben war so gering, dass Ellen Sturm-Loeding und ich sehr große Schwierigkeiten hatten, einen druckbereiten Stein daraus zu fertigen. Trotz dieser Startschwierigkeiten kam für mich die Einladung in die Druckwerkstatt 2016 genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich hatte mich gerade von einer Produktionsart verabschiedet (den formalistischen Lackschüttungen) und war dabei – neben der Produktion von Künstlerschallplatten – neue Annäherungspunkte an die Seitenarme meiner breitgefächerten Produktion zu finden. Flyer und Plakate für Konzerte z.B. im Hamburger Pudel Club oder Ausstellungen in Artist-Run Spaces waren für mich immer eine angenehme Abwechslung. Diese eher graphischen und schriftlastigen Sachen rückten zu der Zeit wieder mehr vom Rand ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit. Die Idee einer Aktualisierung klassischer politischer Plakate ließ sich gut mit den alten Drucktechniken verbinden, die mir Ellen Sturm-Loeding damals hervorragend vermittelt hat.

griffelkunst: In unserer aktuellen Ausstellung stehen nun drei der Arbeiten, die während des Stipendiums entstanden sind, zur Wahl. Wie bist du von den Wurstscheiben auf den Schauspieler Buster Keaton, die Musik-Band Stone Roses und den Maler Toulouse-Lautrec gekommen?

Thomas Baldischwyler: Mir lag ja sehr viel daran, den Moment der Konfrontation mit den für mich neuen alten Techniken zu thematisieren. Also den Zustand des Medienwechsels, der mit Probieren und Spontanität verbunden war, zum Bildinhalt zu machen. Dabei sind eine Vielzahl von Motiven entstanden. Für die aktuelle Wahl habe ich mich für drei klassische Porträtbilder in unterschiedlichen Ausschnitten entschieden. Mein freundlich-naiver Gebrauch der klassischen Darstellungsmittel wird mit den tragischen Lebensläufen der Abgebildeten konterkariert. Die Protagonisten sind Buster Keaton, der die Einführung des Tonfilms nicht überlebt hatte, Toulouse-Lautrec, dessen letztes Bild vom einsamen Alkohol-Tod quasi ein Seestück ist, und Jackson Pollock, dessen Gemälde Full Fathom Five Namensgeber für die rückwärts laufende, alternative Version des Songs Elephant Stone der britischen Band Stone Roses war.

griffelkunst: Jede der edierten Graphiken steckt in einer Pergaminhülle, die mit einem handgeschriebenen Text von Dir bedruckt ist. Text und Bild überlagern sich räumlich und inhaltlich. Darf das Bild auch aus der Hülle? Ist es ohne Text lesbar?

Thomas Baldischwyler: Die Farben der Texte auf den Hüllen beziehen sich ironisch auf den RGB-Farbraum. Dieser additive Farbraum ist vor allem für Computer, Tablets und Smartphones unverzichtbar. Mit dem textlichen Surplus auf den Verpackungen der Bilder nehme ich den Betrachter in die Verantwortung und mache ihn im Idealfall zum dechiffrierenden Kulturwissenschaftler. Die zum Teil sehr schwer lesbaren und skizzenhaften Anmerkungen zu jedem Bild erweitern die Motive und führen zugleich in ganz andere Bereiche. Natürlich kann man die Bilder ohne Texte lesen. Aber ein Blick ins chaotische Poesie-Album des Künstlers macht doch jedem Spaß, oder?

Das Interview für die griffelkunst führte Brigitte Bedei per E-Mail im Februar 2018.

P 60
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P 61
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P 62
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Thomas Baldischwyler

geboren 1974 in Lage/Lippe.
2006 beendete er sein Studium an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Im Anschluss erhielt er verschiedene Preise und Stipendien, u.a. Edwin-Scharff- Preis; Hamburg, Stipendium der Villa Massimo in Rom; Residenz-Stipendium der Philipp-Otto-Runge-Stiftung; Reisestipendium Neue Kunst in Hamburg e.V.
Seit 2011 betreibt Baldischwyler das Künstlerschallplatten-Label Travel By Goods. Er arbeitet als Künstler, DJ, Musiker und Autor, wobei in seiner künstlerischen Praxis oft alle Bereiche ineinander verwoben sind.
Noch bis November 2020 ist seine bisher größte Installation in der Ausstellung Alles War Klar im Künstlerhaus in Wien zu sehen.
Thomas Baldischwyler lebt und arbeitet in Hamburg.

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