Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V.

<p>Ruth May beim Aufbau der Ausstellung im Kunstraum Seilerstraße, Herbst 2011 ©griffelkunst</p>
<p>Ruth May beim Aufbau der Ausstellung im Kunstraum Seilerstraße, Herbst 2011 ©griffelkunst</p>
<p>Ruth May beim Aufbau der Ausstellung im Kunstraum Seilerstraße, Herbst 2011 ©griffelkunst</p>

Ruth May beim Aufbau der Ausstellung im Kunstraum Seilerstraße, Herbst 2011 ©griffelkunst

<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>

Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst

<p>Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst</p>
<p>Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst</p>
<p>Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst</p>

Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst

<p>Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst</p>
<p>Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst</p>
<p>Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst</p>

Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst

<p>Ausstellung von Peter Kogler im Kunstraum Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>Ausstellung von Peter Kogler im Kunstraum Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>Ausstellung von Peter Kogler im Kunstraum Seilerstraße ©griffelkunst</p>

Ausstellung von Peter Kogler im Kunstraum Seilerstraße ©griffelkunst

Mark Dion

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Projekt-Reihe

Siebdruck

Material: 240 g/qm beschichtetes Leinwandgewebe, lackierte Leisten, Kordel
Druck und Herstellung: Martin Samuel, 1x2 Siebdruck, Berlin

SPEKULATIVE KARTOGRAPHIE

von Petra Lange-Berndt

Seit den Umbrüchen, welche die evolutionären Theorien des 19. Jahrhunderts hervorgebracht haben, wird die Relation von Mensch und Nicht Menschlichem anhaltend neu bestimmt. Innerhalb der zeitgenössischen Kunst hat Mark Dion dieses Feld entscheidend mitbestimmt. Mittels seiner vielschichtigen Praxis analysiert der Künstler die institutionellen und ideologischen Bedingungen, unter denen Wissen über Natur produziert wurde und wird. Um diese Auseinandersetzung zu intensivieren, betätigt sich Dion auch als amateurhafter Naturforscher und unternimmt Expeditionen in tropische Regenwälder oder Polarregionen; darüber hinaus arbeitet er immer wieder mit Spezialist*innen wie Zoolog*innen oder Biolog*innen zusammen. Dions Expeditionen führen jedoch ebenso in urbane Regionen und Gegenstand seiner Kunst sind insgesamt die kulturellen Institutionen, die bestimmen, wie sich Vorstellungen von Flora und Fauna über Jahrhunderte in der westlichen Gesellschaft manifestiert haben. Der Künstler steht dabei romantischen Sehnsuchtsbildern kritisch gegenüber, die Tiere als wilde Natur fernab menschlicher Kultur definieren. Stattdessen widmet er sich dem Tier und seinem Nach- und Überleben in Kunst, materieller sowie populärer Kultur.

Arbeiten auf Papier spielen hierbei eine zentrale Rolle. Die vorliegende Edition, Siebdrucke auf beschichtetem Leinwandgewebe in Form von Schulkarten, setzt sich mit Traditionen der naturwissenschaftlichen Klassifikation und Taxonomie auseinander, wenn der Künstler in The Naturalists Zeichnungen von Vogelköpfen nummeriert und mit Namen versieht. Schon die Bibel berichtet, dass Adam die Tiere benannte; in der Tätigkeit Carl von Linnés lebte diese Tradition fort: Der schwedische Botaniker und Naturforscher erstellte im 18. Jahrhundert eine lateinische binäre Nomenklatur, die bis heute globale Allgemeingültigkeit besitzt und nach der Lebewesen ihre biologischen und zoologischen Namen erhalten. Dabei werden regionale Sprachen und Bezeichnungen ausgelöscht. Auf den ersten Blick scheint Dion diese Konventionen zu übernehmen – doch tauchen in seinen Arbeiten eben nicht die offiziellen Namen der Vögel auf, sondern ein Flamingo (Phoenicopteridae) etwa wird zu Aristotle und das ohnehin nur schemenhaft angedeutete Tier entzieht sich unserem Zugriff. Equus zeigt das Skelett eines unspezifischen Pferdes oder der Chart 506 verspricht uns die Forms of Avian Feet.

Dion führt die verheißene Verortung und Kartierung der animalischen Körper durch die Beschriftung mit viel Humor ad absurdum. Der Pferdekörper wird nicht festgeschrieben, sondern eröffnet im Gegenteil einen Strudel von Verweisen. Wie sich etwa Rubens zu Darwin, Colonisation oder Virtuality verhält, bleibt offen. Und die Vogelfüße – für dieses Blatt arbeitete der Künstler wie so oft mit einem blau-roten Buntstift, der im USamerikanischen Kontext auf die bürokratischen Vorgänge eines Registrars, auf Kontrolle, Überprüfung und Korrektur, verweist – produzieren keine Objektivität, sondern tragen uns zu diversen Schriftsteller*innen, einige aus dem Genre der Science-Fiction, wie Mary Shelley oder Ursula Le Guin.

Die alternative wie kunstvolle Forschung Mark Dions will Lebewesen nicht inventarisieren, sondern zeigen, dass unser Wissen über die Welt anhaltenden Veränderungen und historischen Schwankungen unterliegt. Dieses papierne Gehege bietet Anlass, die eigene Identität sowie die Relation des menschlichen Tieres zu anderen Lebewesen zu überdenken. Der Künstler thematisiert kollektive Phantasien oder Spekulationen über Tiere und Wildnis; auf diesem Weg werden tradierte Zuweisungen ein Stück weit entkoppelt. Das Publikum ist aufgefordert, einen spielerischen und von den jeweiligen Vorlieben und Emotionen geleiteten Zugang zu dieser gestalteten Natur zu finden. Es bleibt dabei offen, welches Dasein die porträtierte Fauna gegenwärtig führt: Die Tiere entkommen der Falle der Kunst wie der der Wissenschaft.

A-Reihe / 353. Wahl I. Quartal 2014
Siebdrucke
40,0 x 30,0 cm

1. Palaearctic
2. Neotropical
3. Africotropical
4. Nearctic
5. The Aquatic Realm
6. The Aerial Realm

Papierqualität: 300 g/qm Römerturm Passepartoutkarton
Drucker: 1x2 Siebdruck, Martin Samuel, Berlin

Über die Weltordnung der Tiere

von Brigitte Bedei

»Mein Interesse, meine Leidenschaft war und ist die Kultur der Natur. Meine Werke sind nicht über die Natur, sondern natürlich über die Idee von Natur.«(Mark Dion)

Mark Dion befasst sich seit Mitte der Achtzigerjahre mit der Geschichte unseres Umgangs mit der Natur und ihrer Repräsentation, die er als kulturelle Konstruktion kritisch analysiert. Seine Arbeiten lassen sich dabei als Reflexionen über Ordnungs- und Sammlungssysteme verstehen, wie sie dem System Museum zu Grunde liegen. Da liegt es nahe, dass er häufig mit naturkundlichen und naturwissenschaftlichen Institutionen zusammenarbeitet. Naturhistorische Museen versteht er als Orte, die Naturgegebenheiten vermeintlich objektiv festschreiben und wissenschaftliche Erkenntnisse über die Natur einem breiten Publikum vorstellen.

Er selbst hinterfragt die Kriterien und Werte des Museums, die museale wissenschaftliche Arbeit und die Erwartungen der Besucher. Den Künstler interessiert, wie wir eine Idee von Natur oder Kultur entwerfen. Für ihn sagen Klassifizierungen, mit denen wir uns natürliche und kulturelle Prozesse erklärbar machen, in erster Linie etwas über unsere gesellschaftlichen und politischen Ideologien aus. Diese werden durch Dions vielseitiges Werk nicht nur kritisiert, sondern auch ironisiert und konstruktiv erneuert. Vielfach hat er sich zudem mit der Situation und der Zerstörung der Natur in städtischen Ballungsräumen auseinandergesetzt. Die Ergebnisse dieser Feldforschungen präsentiert Dion meist in materialreichen Installationen in Museumsausstellungen, aber auch in Naturhistorischen- oder Wissenschaftsmuseen sowie im öffentlichen Raum. Präparierte Tiere, Schauvitrinen und wissenschaftliche Arbeitstische gehören zu seinem künstlerischen Repertoire. Begleitet werden seine Projekte häufig durch eigene Texte und Vorträge.

Um das Leben auf der Erde zu verstehen, müssen wir wissen, warum unterschiedlichste Arten so auf der Erde verteilt sind, wie das heute der Fall ist. Eine von einem internationalen Wissenschaftlerteam entwickelte neue Weltkarte teilt die Natur von der Neoarktis bis nach Australien in elf zoo-geographische Regionen ein. Für die griffelkunst hat Mark Dion eine Serie von sechs Siebdrucken entwickelt, in denen er sich mit dieser Einteilung auseinandersetzt. In wissenschaftlich anmutenden Schautafeln präsentiert er anhand von taxonomisch geordneten Tiergruppen vier der elf zoo-geographischen Regionen: Paläarktis (Europa, Teile Asiens, Nordafrika), Nearktis (Nordamerika), Neotropis (Süd- und Mittelamerika) und Afrotropis (Afrika südlich der Sahara mit Madagaskar). In zwei weiteren Systematisierungen gruppiert er das Reich der Lüfte und das Unterwasserreich. In vermeintlich wissenschaftlicher Manier zeigt er in piktogrammartig angelegten Motiven eine Klassifikation der in den jeweiligen Regionen vorkommenden Tiergruppen. Die Ordnung wird gezielt ironisiert, indem Dion zivilisatorische Erfindungen in den Schautafeln platziert. So siedelt er das Flugzeug im Reich der Lüfte an oder platziert Jagdgeräte wie die Harpune im Unterwasserreich. Die Darstellung der vier anderen Bereiche scheint wie ein Versuch, die Lebewesen nach einem hierarchischen System zu ordnen. Von unten nach oben sind etwa im paläarktischen Bereich Kuh, Pferd, Schwein, Ziege, Hund, Katze, Marder und Ratte zu sehen. Die Klassifikationsstruktur der Tiergruppen ist dabei ganz einfach von groß nach klein angelegt und lässt eher an die Darstellung der Bremer Stadtmusikanten denken, als an eine wissenschaftliche Kategorisierung zur Darstellung einzelner Tiergruppen in sogenannten Faunenprovinzen. Die silhouettenhafte Darstellungsweise erinnert zudem an Scherenschnitte aus dem 18. Jahrhundert, etwa von Philipp Otto Runge, und verleiht den Bildern eine eher romantische und märchenhafte Sicht auf die Weltordnung der Tiere, die Mark Dion so gezielt ironisiert.

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Mark Dion

geboren 1961 in New Bedford/ Massachusetts, USA

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