Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V.

<p>Aufbau der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst</p>
<p>Aufbau der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst</p>
<p>Aufbau der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst</p>

Aufbau der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst

<p>Druckstöcke und Andrucke von Birgit Brandis ©griffelkunst</p>
<p>Druckstöcke und Andrucke von Birgit Brandis ©griffelkunst</p>
<p>Druckstöcke und Andrucke von Birgit Brandis ©griffelkunst</p>

Druckstöcke und Andrucke von Birgit Brandis ©griffelkunst

<p>Im Atelier von Anja Tchepets ©griffelkunst</p>
<p>Im Atelier von Anja Tchepets ©griffelkunst</p>
<p>Im Atelier von Anja Tchepets ©griffelkunst</p>

Im Atelier von Anja Tchepets ©griffelkunst

<p>Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst</p>
<p>Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst</p>
<p>Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst</p>

Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst

<p>Jenny Holzer Edition entsteht ©griffelkunst</p>
<p>Jenny Holzer Edition entsteht ©griffelkunst</p>
<p>Jenny Holzer Edition entsteht ©griffelkunst</p>

Jenny Holzer Edition entsteht ©griffelkunst

Agenda – aktuelle Ausstellungshinweise und News

Serien in Serie

In der griffelkunst erfolgt die Kunstvermittlung seit Anbeginn über die druckgraphische Serie. Dabei geht es zunächst nicht primär um eine formal oder inhaltlich geschlossene Serie, sondern um die Vorstellung eines Künstlers mittels einer möglichst repräsentativen Auswahl. Von 1925 an werden die Künstler*innen mit druckgraphischen Serien vorgestellt. Friedrich Schaper, Arthur Illies oder Heinrich Stegemann stellen in den 20er Jahren schon mal bis zu 15 oder gar 20 Motive für eine Auswahl zur Verfügung. Erst Mitte der 60er-Jahre bildet sich vor allem im Zuge von Pop-Art, Minimal- und Concept-Art ein neues Verständnis der druckgraphischen Serie aus, was sich auch im Editionsprogramm der griffelkunst abbildet. Künstler*innen erkennen den sich technisch anbietenden Spielraum an Variationsmöglichkeiten, um inhaltlich und formal homogene Serien oder gar geschlossene Mappenwerke zu entwickeln. Die einzelnen Blätter müssen dabei zwar weiterhin als eigenständige Werke wirken können, bilden in der Reihe oder im Block gehängt aber zugleich eine inhaltliche oder formale Einheit.

Eine der ersten, streng konzeptionell angelegten Serien sind die „Schweizer Alpen“ von Gerhard Richter aus dem Jahr 1969. Richter zeigt vier im Siebdruck umgesetzte Landschaftsdarstellungen aus dem Hochgebirge. Ihm folgen 1971 und 1976 Serien des Photographenpaars Bernd und Hilla Becher. Das Serielle ist ihren Typologien industrieller Bauten konzeptionell eingeschrieben. Jedes Blatt zeigt wiederum sechs Beispiele jeweils eines industriellen Gebäudetypus: Silos, Transformatoren, Hochspannungsmasten und Fördertürme. 1976 folgen sechs Wasserturm-Porträts. Auch Dieter Roth greift den Ansatz des Seriellen für die griffelkunst auf. Von 1977–1992 schafft er gleich eine ganze Reihe von Variationen in der Graphikfolge „Komposition I–V“. Die insgesamt 16 Motive werden von nur fünf Druckplatten gedruckt. Die Blattfolge veranschaulicht die in seinem Werk zentrale Idee des Prozesshaften, des immerwährenden Work-in-progress, womit die Werkgenese für den Betrachter nachvollziehbar bleibt.


Bernd und Hilla Becher, Förderturm, 185. Wahl, 1971

Thomas Struths Photoserie seiner Dschungelbilder 2004 realisiert er bewusst nicht als Farbabzüge, sondern im Tintenstrahldruck, eine Technik, die viele Photographen bis heute für ihre Editionen anwenden. Auch Künstler wie Gerd und Uwe Tobias, die für gewöhnlich mit Farbholzschnitten arbeiten, haben sich für ihre Sechserfolge der farblich reduzierten Lithographie bedient, um damit nicht ihrer sonstigen Arbeit in Konkurrenz zu treten.
Fred Sandback überträgt 1976 seine streng linearen Faden-Skulpturen in die Lithographie, und von Joseph Beuys erscheint 1979 mit „Tafel I–III“, eine Sequenz von drei großformatigen Siebdrucken nach Tafelzeichnungen. Im gleichen Jahr verlegt die griffelkunst von Hanne Darboven, eigentlich einer Großmeisterin der seriellen Konzeptkunst, ebenfalls eine vergleichsweise eher schmale Dreiersequenz von Schriftblättern nach Karteikarten und zwei Kalenderblatt-Motiven.


Joseph Beuys, Tafel I-III, 215. Wahl, 1979

Konzeptionell noch weiter gehen jene Künstler*innen, die ihre Serie nicht nur zusammenhängend, sondern formal additiv anlegen, bei denen also die Einzelmotive zusammengelegt wiederum ein eigenes Bild ergeben. Als eine der ersten entwickelte Ayse Erkmen 2003 sechs Blätter mit abstrakten Formen in unterschiedlicher Farbigkeit. Fügt man die Blätter aneinander, so ergeben sie ein neues Motiv, das noch dazu in seiner Außenform radikal aus dem klassischen Geviert des druckgraphischen Blattes ausbricht. Ähnlich additiv verfahren die Bildhauerin Monika Grzymala und Ernesto Caivano. Grzymala legt mit „Next“ eine gestische Struktur horizontaler Linien über sechs Blätter als Motiv im Format 76,5 x 276 cm an. Caivano bearbeitet seine sechs Radierplatten so, dass die Motive en bloc gehängt eine von einem Zentrum ausstrahlende Struktur ergeben, die Assoziationen zwischen Sternenhimmel und Teilchenexplosion zulässt. Unserem Editionsprinzip entsprechend, konnte auch bei diesen Serien natürlich jedes Blatt einzeln gewählt werden.

Ein weiterer zentraler Gedanke unserer Vermittlungsarbeit besteht bekanntlich darin, keine Reproduktionen bereits existierender Werke zu verlegen, sondern Originalgraphik. Jedes Motiv entsteht also zu einem gewissen Teil auch aus der verwendeten Technik heraus. Eine eher ungewöhnliche Wendung nahm dieser Anspruch bei Peter Doig. Angefragt, für uns eine Serie zu entwickeln, sieht dieser sich nicht in der Lage, die Motive in einer Druckwerkstatt in Deutschland zu entwickeln. Stattdessen packt der Berliner Drucker Fritz Margull Druckplatten, Säuren, Farben etc. zusammen und reist damit in die Südsee nach Trinidad zu Doig, wo er mit dem Künstler unter wahrhaft exotischen Bedingungen eine Sechserserie malerisch anmutender Aquatinta-Radierungen seiner typischen Dschungeldarstellungen realisiert.


Peter Doig, 313. Wahl, 2004

Gerade Künstler*innen, die mit Texten arbeiten, kommt die serielle Druckgraphik entgegen. Matt Mullican „beschreibt“ 2009 handschriftlich eine formal geschlossene Folge von acht Aquatinta-Blättern in verschnörkelter Typographie und Jenny Holzer greift 2012 für ihre Griffelkunst-Edition „CIA“–Textdokumente auf, aus denen hervorgeht, dass amerikanische Soldaten im Golfkrieg die Foltermethode des „Water Boarding“ eingesetzt haben, um Gefangene gefügig zu machen – was sich zu einem politischen Skandal ausweitete. Ihre Edition zeigt stark vergrößert sechs der zum Großteil geschwärzten Dokumente. Holzer lässt diese nicht konventionell drucken, sondern die Motive samt der Schriftelemente einzeln in Form schöpfen. Die im Wasser zu einer Art Brei aufgelösten schwarzen und weißen Baumwollfasern werden dazu mit in Form präparierten Sieben geschöpft und dann jeweils in Lagen übereinander gepresst. So wird der Herstellungsprozess der Motive selbst zu einer Referenz und Anklage an das Vorgehen der Folterer.


Jenny Holzer, P7-P12, 2012

Für unsere letzte Wahl im Herbst 2019 schufen Monica Bonvicini, Sven Johne und Jonathan Monk gleich drei serielle Mappenwerke. Bonvicini hat eine Folge von Schriftarbeiten als Einzelmotive und als zusammenhängendes Mappenwerk realisiert. Sie lässt dabei durch die Schlauchschrift-Buchstaben ihrer Texte die dahinterliegenden Ketteninstallationen sichtbar werden und verweist so mit ihrer Textarbeit auch auf ihr installatives Werk. Monk hat das hundertjährige Bauhaus-Jubiläum aufgegriffen und die berühmte Wagenfeld-Leuchte in verschiedenen Farben intensiv erstrahlen lassen. So wurde seine Serie „Wagenfeld Sunset“ zu einer leicht kitschigen und etwas wehmütigen Reminiszenz an die Design-Ikone. Der Konzept-Photograph Sven Johne schließlich variierte das additive Prinzip in seiner Arbeit „Wahnsinn, die Antwort auf alle Fragen“. Er hatte die Arbeit aus einer Reihe formal unverbundener Photos und Texte als freie Text-Bild-Montage bereits zur „Triennale der Photographie“ 2018 in der Hamburger Kunsthalle gezeigt. Für die griffelkunst greift er einzelne Elemente daraus auf, die zusammengefügt wiederum ein neues Tableau ergeben.
Die ausgewählten Beispiele mögen verdeutlichen, wie in fast einhundert Jahren Editionsgeschichte die Serie oder zumindest immer Teile daraus daran mitgewirkt haben, aktuelle künstlerische Positionen vorzustellen. Auch wenn in den letzten Jahren immer mehr Künstler*innen versuchen, ihren Werkgedanken in eine neue, geschlossen-serielle druckgraphische Form zu überführen, wird der klassische Weg der repräsentativen Selbstdarstellung durch eine als Folge präsentierte Auswahl noch lange die Vermittlungsarbeit der griffelkunst prägen.


PS: An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, dass Sie sich gegen eine Gebühr von € 15,– gerne Ihre zuletzt bestellten Serien zuschicken lassen können! Sie erhalten damit endlich die ersehnten Blätter und entlasten uns ein wenig, da durch die fehlende Abholungen durch die entgangene letzte Wahl unsere Lagerkapazitäten am Limit sind…

(Der Text ist eine verkürzte Bearbeitung eines Katalogbeitrages von Dirk Dobke für die Ausstellung „Serien – Druckgraphik von Warhol bis Wool“, die ab Februar 2021 in der Hamburger Kunsthalle zu sehen sein wird.)

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