Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V.

<p>Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst</p>
<p>Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst</p>
<p>Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst</p>

Yvette Kießling bei der Arbeit an der Griffelkunst-Edition ©griffelkunst

<p>Aufbau Installation Thorsten Brinkmann “Ernie & Se King”, Kunstraum Seilerstraße 2011 ©griffelkunst</p>
<p>Aufbau Installation Thorsten Brinkmann “Ernie & Se King”, Kunstraum Seilerstraße 2011 ©griffelkunst</p>
<p>Aufbau Installation Thorsten Brinkmann “Ernie & Se King”, Kunstraum Seilerstraße 2011 ©griffelkunst</p>

Aufbau Installation Thorsten Brinkmann “Ernie & Se King”, Kunstraum Seilerstraße 2011 ©griffelkunst

<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>

Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst

<p>Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst</p>
<p>Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst</p>
<p>Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst</p>

Eine Radierung entsteht, Druckwerkstatt der Kunsthochschule Berlin-Weißensee ©griffelkunst

<p>Aufbau der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst</p>
<p>Aufbau der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst</p>
<p>Aufbau der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst</p>

Aufbau der Ausstellung von Kai Schiemenz im Kunstraum Seilerstraße, Frühjahr 2012 ©griffelkunst

Marcel van Eeden

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E 602
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E 603

Einzelblätter

E 602
E 603

Lithographie
61,5 × 90,0 cm

Papierqualität: 270 g/qm Rives Bütten
Druck: Steindruckerei Wolfensberger, Zürich

Künstlerische Forschung – Marcel van Eeden auf den Spuren von Robert Walser

von Brigitte Bedei

In seinen als Serien angelegten Graphiken, Zeichnungen und Photoarbeiten recherchiert Marcel van Eeden historische Ereignisse, die allesamt vor seiner Geburt, also vor 1965, stattgefunden haben. Ausgangsmaterial für seine Werke sind dabei vielfältige Quellen, die eine vermeintlich authentische Wirklichkeit suggerieren: historische Zeitungsausschnitte, Postkarten, Magazine etc. So ist über viele Jahre ein großangelegtes künstlerisches Forschungsprojekt entstanden, in dem der Künstler nicht nur vergangene Ereignisse erforscht, sondern auch die Art und Weise, wie Geschichte dokumentiert und präsentiert wird. Die Bilder konfrontiert van Eeden mit Textfragmenten aus anderen Kontexten, sodass mehrere Erzählebenen entstehen. Bereits vor zehn Jahren haben wir ihn mit einer Serie von sechs Radierungen vorgestellt. Hierin zitiert der Künstler ein Kapitel aus Sigmund Freuds Traumdeutung von 1899. Neben dem streng typographisch angelegten Titelbild Traum eines Chemikers zeigt van Eeden drei Stadtansichten seiner Geburtsstadt Den Haag aus den 1930er Jahren. Die Schwarzweiß-Ansichten erinnern in ihrer Ästhetik an Sequenzen aus einem melancholischen Film, was typisch für seine Arbeitsweise ist. Marcel van Eeden füllt die Figur des Chemikers aus Freuds Traumdeutung in seinen Radierungen mit Leben und visualisiert dessen Traumwandlungen durch das nächtliche Den Haag, wodurch der Anspruch von historischer Wahrheit und künstlerischer Imagination, von Wirklichkeit und Fiktion, subversiv unterlaufen wird.

Neben seinen zeichnerischen Bildserien mit Photographie- und Textbezügen entstehen seit einigen Jahren auch photographische Arbeiten. Im Unterschied zu seinen Zeichnungen basieren die Vorlagen hierfür auf eigenen Aufnahmen des Künstlers. Die Bilder werden auf der Grundlage des aus der Frühzeit der Photographie stammenden Gummidruckverfahrens vervielfältigt. Hier entstehen die unterschiedlichen Tonwerte nicht wie in seinen Zeichnungen durch Graphit und Negrostift, sondern durch gezielte Belichtung und Überbelichtung einer Chromgummiemulsion. Es sind vornehmlich photographische Reisebilder, die van Eeden in dieser Technik produziert. Sie erinnern an die Bildsprache der Piktoralisten um die Jahrhundertwende, die mit ihren weichgezeichneten Photographien atmosphärische Bilder schufen. Obwohl van Eedens malerisch wirkenden Photoarbeiten in der Gegenwart aufgenommen wurden, erscheinen sie wie historische Schwarzweiß-Aufnahmen und werden dadurch zu künstlerischen Interpretationen von Geschichtsmomenten.

In seiner Edition beschäftigt sich Marcel van Eeden mit Carl Seeligs Wanderungen mit Robert Walser. In dem 1957 erschienenen Buch erzählt der Schweizer Schriftsteller und Journalist Carl Seelig von seinen Gesprächen und Spaziergängen mit Robert Walser in den letzten Lebensjahren des Schriftstellers. Robert Walser war von 1933 bis zu seinem Tod 1956 in verschiedenen psychiatrischen Kliniken untergebracht, u.a. in Herisau in der Schweiz. Die Spaziergänge, die die beiden Schriftsteller von hier aus unternommen haben, hat van Eeden rekonstruiert und ist sie, soweit möglich, nachgelaufen. Eine Serie von Photographien dokumentieren diese Wanderungen. Zwei davon hat der Künstler für seine Edition ausgewählt und großformatig zunächst als Gummidruck reproduziert und schließlich als Lithographie in der Züricher Werkstatt von Thomi Wolfensberger gedruckt. Der genaue Tag der Wanderung, die Strecke sowie der Verweis auf die entsprechende Nummer in Seeligs Buch sind hierauf vermerkt und machen das Bild zu einem Zeitdokument.

Durch Seeligs Beobachtungen und Erinnerungen, die in dem Buch festgehalten sind, gewinnen die Lesenden ein Verständnis für Walsers Exzentrik, seine Liebe zum Wandern und seine eigenwillige Art zu schreiben. Das Buch beleuchtet auch Walsers Kämpfe mit Geisteskrankheiten und seinen unkonventionellen Lebensstil. Van Eeden taucht ein in dieses intime Porträt von Robert Walser aus der Sicht eines Bewunderers und Freundes, indem er Orte in den Appenzeller Alpen bereist und festhält, an denen Walser und Seelig gewandert sind: Von Gais nach Teufen am 21. März 1941 oder am 11. März 1942 zum Säntis. Die Bilder, die der Künstler in ästhetizistischer Tradition reproduziert hat, entfalten dabei eine zusätzliche Ebene der Geschichte, in die van Eeden sich durch seine künstlerische Arbeit einschreibt. »So funktioniert Geschichte: Man hat Informationen, aber ist kein Teil dessen. Der Versuch da hineinzukommen, sich hineinzuarbeiten, ist interessant für mich«, formuliert der Künstler in einem Interview.

C-Reihe / 355. Wahl III. Quartal 2014
Radierungen
Traum eines Chemikers

1. ohne Titel 31,0 x 40,0 cm / 20,0 x 30,0 cm
2. ohne Titel 31,0 x 40,0 cm / 20,0 x 30,0 cm
3. ohne Titel 31,0 x 40,0 cm / 20,0 x 30,0 cm
4. ohne Titel 31,0 x 40,0 cm / 20,0 x 30,0 cm
5. ohne Titel 31,0 x 40,0 cm / 20,0 x 30,0 cm
6. ohne Titel 40,0 x 31,0 cm / 30,0 x 20,0 cm

Papierqualität: 250g/qm Zerkall Alt Bern
Drucker: Atelier für Druckgrafik, Hamburg
Hersteller Mappe: Buchbinderei Zwang, Hamburg
Druck: Ena Klopp, Hamburg

Traumhafte Radierungen eines Chemikers

von Brigitte Bedei

Von 1993 bis 2007 erstellt Marcel van Eeden auf kleinformatigen Blättern Tag für Tag eine Zeichnung, immer im gleichen Format: 19 x 28 cm, gezeichnet mit Kohle-, Farb- und Nerostiften. Es entstehen tausende von Zeichnungen, die auf Motiven von Photographien, Zeitungsausschnitten, Büchern, typographischen Atlanten und sonstigen Dokumenten basieren. Der Künstler nimmt die Ästhetik aus dem Bilderfundus vergangener Zeiten auf und zeigt in seinen Zeichnungen nächtliche Stadtansichten, Feuerszenarien, abstrakte Formen sowie Texte, die er häufig mit Hilfe von Schablonen überträgt. Die Vorlagen stammen allesamt aus der Zeit vor seiner Geburt am 22. November 1965. Im Panorama der Zwanziger- bis Sechzigerjahre, das der Künstler entfaltet, rekonstruiert er Zeitgeschichte, an der er selbst nicht teilgehabt hat. So bindet sich jede seiner Arbeiten nicht nur an die eigene Biographie an, sondern thematisiert immer auch Abwesenheit, eine melancholische Ferne. Mit seinen Bildzyklen, die reale Biographien mit fiktiven Geschichten verbinden, zählt der niederländische Künstler zu den wichtigsten Zeichnern der Gegenwart.
Lange war unklar, in welchem Medium Marcel van Eeden seine Edition für die griffelkunst realisieren würde. Er entschied sich schließlich für die Radierung, genauer die Strichätzung, eine subtile künstlerische Technik, die dem Künstler ermöglicht, sein vornehmlich zeichnerisches Werk in die Druckgraphik zu übersetzen. »All chemicals and tools are ready«, schreibt van Eeden an seine Drucker Lars Dahms und Daniel Vogler nach dem Erhalt der gewünschten Kupferplatten. Dazu schickt er ein Photo aus seiner Werkstatt, auf dem verschiedene Chemikalien, Trichter, Becher, Zangen und Radierwerkzeuge gruppiert sind. In den folgenden Wochen ätzt, radiert und druckt der Künstler sechs verschiedene Motive für einen Radierzyklus in seinem Atelier.
Entstanden sind sechs wahrlich traumhafte Radierungen, die in ihrer Struktur fast ein wenig altmodisch erscheinen. Traum eines Chemikers ist der Titel der Serie, mit dem der Künstler ein Kapitel aus Sigmund Freuds Traumdeutung von 1899 zitiert. Neben dem Titelbild, das streng typographisch angelegt ist, zeigt van Eeden drei Stadtansichten seiner Geburtsstadt Den Haag in den Dreißigerjahren. Die schwarzweiß-Ansichten bauen sich über schraffierte Flächen auf, verdichten sich zum Rand hin und erinnern in ihrer Ästhetik ein wenig an Sequenzen aus einem melancholischen Film. Teilweise unleserlich in die Platte geritzte Textfragmente am oberen Bildrand beschreiben Zeit und Ort des Dargestellten — und schon beginnt das Spiel: Marcel van Eeden erfüllt die Figur des Chemikers aus Freuds Traumdeutung mit Leben und visualisiert dessen Traumwandlungen durch das nächtliche Den Haag. Und mehr noch: ein anatomisch gezeichneter Herzmuskel, eine informelle Zeichnung, jeweils mit Texten kombiniert, komplettieren die Serie. Van Eeden fügt hier Bild- und Textfragmente zusammen und kreiert so einen fiktiven Traum. »Brass and Copper«, Messing und Kupfer, steht in schablonierter Schrift am unteren Bildrand der gegenstandslosen Zeichnung, Materialien, die in der Radierung ihre Anwendung finden. Die dazugehörige Zeichnung wirkt fast wie eine Materialstudie, ein Ausprobieren von Möglichkeiten, die die Kupferplatte bereithält. Wird der Künstler selbst zum »Chemiker«, ist es sein eigener Traum, den er visualisiert? Marcel van Eeden lädt uns ein zu einem vielschichtigen Spiel aus Realität und Fiktion, aus An- und Abwesenheit, aus Vergangenheit und Gegenwart.

355 C1
355 C2
355 C3
355 C4
355 C5
355 C6
Mappe

Marcel van Eeden

geboren 1965 in Den Haag, Niederlande

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