Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V.

<p>Drucke von Anja Tchepets entstehen ©griffelkunst</p>
<p>Drucke von Anja Tchepets entstehen ©griffelkunst</p>
<p>Drucke von Anja Tchepets entstehen ©griffelkunst</p>

Drucke von Anja Tchepets entstehen ©griffelkunst

<p>In der Druckwerkstatt von Thomas Franke ©griffelkunst</p>
<p>In der Druckwerkstatt von Thomas Franke ©griffelkunst</p>
<p>In der Druckwerkstatt von Thomas Franke ©griffelkunst</p>

In der Druckwerkstatt von Thomas Franke ©griffelkunst

<p>Druckstöcke und Andrucke von Birgit Brandis ©griffelkunst</p>
<p>Druckstöcke und Andrucke von Birgit Brandis ©griffelkunst</p>
<p>Druckstöcke und Andrucke von Birgit Brandis ©griffelkunst</p>

Druckstöcke und Andrucke von Birgit Brandis ©griffelkunst

<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>

Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst

<p>Jenny Holzer Edition entsteht ©griffelkunst</p>
<p>Jenny Holzer Edition entsteht ©griffelkunst</p>
<p>Jenny Holzer Edition entsteht ©griffelkunst</p>

Jenny Holzer Edition entsteht ©griffelkunst

Portfolio-Interview Nº6 – Monika Grzymala

Petra Kipphoff im Gespräch mit Monika Grzymala

PK: eine Zeichnung ist traditionellerweise eine Arbeit, die an einem Ort entsteht und dann an einem anderen Ort, in einer Ausstellung oder bei einem Sammler, zu sehen ist. ihre Raumzeichnungen entstehen an dem Ort der Bestimmung. Statt der eher privaten, stillen Genese ist es eine Aktion. Abgesehen einmal von einer wohl notwendigen Ortsbesichtigung: Wie bereiten Sie sich darauf vor und was bedeutet das für die Zeichnung?

MG: Das Nachdenken über eine neue Arbeit findet nicht nur in meinem Berliner Atelier statt. Es ist als würde sich mein innerer Kompass auf den einen Ort der Bestimmung richten, sofern er mir aus sich heraus eine Inspiration bietet. Eine Ortsbesichtigung ist oft nur der Anfang eines organischen, intensiven Denkprozesses, der sich in der Raumzeichnung später physisch manifestiert. ist die Fährte einmal aufgenommen, beginnt die Arbeit sodann ganz klassisch mit Skizzen auf Papier. Meistens benutze ich dafür flüssige Farben wie Tinte, Tusche oder Aquarellfarbe, also Materialien, die eine fließend kontinuierliche Bewegung mit dem Pinsel auf dem Blatt ermöglichen, so ertaste ich Strömung und Rhythmus der neuen Bildidee, um mehr über ihr Wesen zu erfahren. Oft gelingt es mir nicht, auf einem einzigen Blatt die Gedanken beginnen und enden zu lassen. Das Archiv der Ideenbücher und Skizzen erinnert mich auch nach vielen Jahren genau an den entstehungsprozess einer Arbeit, sie wird zu einer Zeitkapsel, der alle Gedanken noch immer innewohnen. Eine neue Raumzeichnung zu installieren ist ein Aktivierungsprozess, bis die Zeichnung in ihrer endgültigen Form angekommen ist.

PK: »Man muss immer das Verlangen der Linie suchen, den Punkt, an dem sie beginnen oder sterben will.« Gilt dieser Satz von Henri Matisse nur für die Zeichnung auf Papier oder auch für ihre Zeichnung im Raum? Und: Gibt es die Möglichkeit der Korrektur bei der Wand- und Bodenzeichnung?

MG: es gibt wenig bis keine Möglichkeiten der Korrektur, da meine Arbeiten häufig auf prekären Konstruktionen basieren. Ich beschreibe Zeichnung auch häufig als von der Hand geführtes Denken, das sind nicht immer von Anfang an stabile Prozesse.
In nur einem unachtsamen Moment könnte ich das gesamte Bild zerstören. Beim Aufbau geht es mir nicht darum, einen Raum mit möglichst vielen Linien zu füllen. Ich versuche diese Entwicklung möglichst authentisch zu halten und darin die Balance zu finden zwischen Anfang und Ende. Manche Raumzeichnungen sind auch als ephemere Gebilde angelegt. Nach meinem letzten Handgriff übernehmen dann Zeit und Schwerkraft die Choreographie. Das Lineament entsteht und vergeht sichtbar, es verblüht wie jedes organische Geflecht. Der Satz von Matisse gilt also auch für den Entstehungsprozess einer Raumzeichnung.

PK: Ihre Arbeiten entstehen in der Regel am Ort der Ausstellung und werden nach ihrem Ende wieder entfernt. Sie können also nicht an einem anderen Ort wieder in der identischen Form gezeigt werden und überleben nur in der Dokumentation. Stört Sie diese Vergänglichkeit?

MG: Wie unsere eigene Vergänglichkeit ist die Flüchtigkeit meiner Arbeiten einfach natürlich gegeben. – Anfang und Ende wohnen allem inne, warum also dagegen angehen? Wichtig ist für mich die Erfahrung, eine neue Zeichnung an einem Ort zu erleben und am Ende zu sehen, ob meine Suche in der Summe aufgegangen ist. Lee Lozano sagte einmal, wenn sie Kunst mache, dann atme sie zusammen mit dem Kosmos – es gibt keine bessere Umschreibung der künstlerischen Prozesse. Bei jeder Arbeit lerne ich dazu, und dieser Erkenntnisgewinn gehört in seiner Einzigartigkeit nur mir. Meistens baue ich die Arbeit auch eigenhändig wieder ab und bewahre das Linienknäuel für eine gewisse Zeit im Atelier auf. Es ist dann nicht nur die eine Installation im Aggregatzustand der Reminiszenz. Vielmehr ist es ein Verbündeter, der mich zu dieser neuen Erkenntnis geführt hat. Das Ende einer Raumzeichnung birgt die Möglichkeiten, den Anfangsmoment einer neuen, weiteren Arbeit zu entdecken.

PK: Sie haben mit der Raumzeichnung die Dimension des Genres erweitert, ihren Auftrittsort entgrenzt. Und Sie haben quasi in einem nächsten Schritt auch eine andere klassische Definition außer Kraft gesetzt, indem Sie den Bildträger, also das Papier, zur Zeichnung gemacht, im Prozess des Papierschöpfens große Blätter mit einem Geflecht von Relieflinien produziert haben. Das war ein halber Schritt in die dritte Dimension. In der Ausstellung On Line. Drawing through the Twentieth Century, die 2010 im MoMA in New York stattfand, sind Sie wiederum einen Schritt weitergegangen, indem Sie Linien in den Raum gestellt haben. ein zartes weißes Geäst, ein fragiles Gespinst steht im Raum. ist das ein Blick zurück zur Skulptur, mit der Sie ja auch ihre Ausbildung begonnen haben?

MG: In der Raumzeichnung sind beide Aspekte vertreten. Mein Liniengeflecht über dem Marron Atrium am MoMA trug den Titel Untitled (skeleton of a drawing). Die Länge der Stäbe war meinen physischen Proportionen entnommen, also der Länge eines Armes, eines Schrittes, maximalem Bewegungsradius etc., ein unsichtbares Energiefeld, das aus dem Orbit entsteht, der jeden Organismus umgibt. In der Bildhauerschule haben wir gelernt, Skulptur nicht nur mit den Augen, sondern mit unserem ganzen Körper zu begreifen. Kunstmachen ist ein lokales Ereignis, das mit Selbstwahrnehmung beginnt und zu einer künstlerischen Handlung führt. Ich arbeite generell ohne Assistenten. In der ersten Begegnung von Raum und Selbst gilt es, diese Unmittelbarkeit zu erhalten, die später der Betrachter wahrnehmen soll. Man könnte also sagen, bei mir entsteht Zeichnung aus der inneren Skulptur des Selbst heraus und wächst hinein in den Raum. Manche Künstler betrachten Zeichnung als Vorbereitung für ein größeres Vorhaben. Ich zeichne aber, um die Essenz der Zeichnung zu begreifen, da gibt es kein weiteres, konkreteres Ziel. Die Linie stellt immer nur sich selbst dar und eine gute Zeichnung sollte immer im Zustand des Werdens begriffen sein. Als Bildhauerin, die zeichnet, begebe ich mich auf diese Reise, jedoch nicht ohne den Blick zurück.

PK: Auf die Frage nach Künstlern, die ihnen wichtig sind, haben Sie einmal nach einer aparten Reihe von Namen zum Schluss auch Albrecht Dürer genannt. Kann man, jenseits der Bewunderung, als Künstler auch heute noch etwas von ihm lernen?

MG: Meine Griffelkunst-Edition 2013 trägt den Titel Sorry, Albrecht und ist Dürers Fünftem Knoten aus einer Reihe von sechs Holzschnitten gewidmet. Der Titel ist weniger als Entschuldigung, eher als ein respektvolles Augenzwinkern gemeint. Beim Anblick der sechs Knoten war ich fasziniert und irritiert zugleich. Auch wenn mich der Zauber der universellen Ordnung genauso wie Albrecht Dürer, und vor ihm Leonardo Da Vinci, in den Bann des Knotens gezogen hat, ist meine zeichnerische Logik entgegengesetzt. Um 1483 wurden nach Entwürfen von Leonardo Da Vinci sechs Knoten, Kupferstiche als Emblem der Leonardi Vinci Academia veröffentlicht. Dasselbe Flechtwerk finden wir im Übrigen auch auf dem Gewand der Mona Lisa. Unter academia verstand man in der Renaissance eine Art poetisches Turnier, wissenschaftliche Disputationen, an denen auch Da Vinci teilgenommen hat. Vincire bedeutet binden oder knoten, ein Wortspiel also, und gleichzeitig ein Kryptogramm für den Namen Leonardo Da Vinci im emblem der academia. Da Vincis Schnurgeflechte hat Dürer um 1507 frei übernommen. Erst in der zweiten Auflage hat er die Holzschnitte mit seinem Monogramm versehen. in Dürers Knoten folgt die in den Bildträger geritzte Linie dem Pfad des Ornaments mit einer spürbaren Gewissheit, sodass ein Kraftfeld zwischen Betrachter und Bild entsteht. Die Linie scheint so vehement, als würde sie sich gerade neu erfinden. Obwohl das Mandalaprinzip bereits einige Zeit vor Dürer entstand, auch vor Da Vinci bereits existierte, verleitet der komplexe Knoten das Individuum, im Moment der zeichnerischen Darstellung zu glauben, es erfinde diese vollkommene Ordnung ganz eigenständig. Der Drang nach Neuordnung der Welt ist aber ein universelles Phänomen und etwas, das vielleicht viele Künstler und Menschen antreibt. Eine strenge Gerade erzählt ja etwas anderes als eine freie, vagabundierende Linie. In meiner Zeichnung umgehe ich das Ornamentale, dennoch sehe ich, dass es im Vokabular der Linie große Unterschiede gibt. In Dürers Knoten schafft die Ornamentlinie Struktur und wird in sich selbst zur Form. In meiner Zeichnung existiert die Linie ohne nach Form zu suchen und schafft dennoch einen eigenen Raum. Sie entsteht aus sich selbst heraus und vergeht im eigenen Kosmos. Beim Betrachten seiner Werke lerne ich von Dürer die kompromisslose Konsequenz in der Haltung zur Zeichnung und bewundere, mit welcher Kraft und Souveränität er dieser Herausforderung begegnet.

Monika Grzymala, 1970 geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Das Interview führte Petra Kipphoff im März 2013.

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