Einzelblätter
Photographien im C-Print, Handabzüge
E 495
Mingo Junction #2277, 2012 39,5 x 49,5 cm/36,0 x 46,0 cm
E 496
Michigan Central Station #436, 2013 39,5 x 49,5 cm/36,0 x 46,0 cm
Papierqualität: Fujicolor Crystal Archive DP2
Hersteller: Barbara Thiel, C-Print, Berlin
Was bleibt
von Stephanie Bunk
Meistens ist es unnötig bei Photographien von Orten darauf aufmerksam zu machen, dass sie menschenleer sind, denn es ist zur Regel geworden. Für Jörn Vanhöfens Bilder ist diese Leere jedoch essentiell. Sie thematisieren die Abwesenheit des Menschen bzw. seinen Rückzug von Orten, die zu unwirtlich zum Leben geworden sind. Für die Serie Aftermath hat Vanhöfen auf der ganzen Welt Orte photographiert, die sich in Folge ihrer maximalen Ausbeutung durch die Wachstumsgesellschaft selbst zerstören. Nüchtern und zugleich apokalyptisch fügen die einzelnen Aufnahmen Bau- und Umweltsünden zu einem Gesamtbild zusammen: aufgegebene Großbaustellen, Müllhalden, Industriebrachen, Folgen von Naturkatastrophen, Autobahnbrücken und immer wieder leerstehende Gebäude. An so unterschiedlichen Orten wie Bangkok, Kapstadt, Chicago, Berlin und Duisburg finden sich die dunklen Seiten des Fortschritts, die der Photograph aufspürt und in monumentalen Tableaus festhält. Auf der Suche nach diesen sich-selbst-zerstörenden Orten ist Jörn Vanhöfen durch die nördlichen Staaten der USA gereist und hat unter anderem in Detroit einen solchen gefunden. Seine neueste Serie Disturbia, aus welcher der Künstler zwei Einzelblätter für die Griffelkunst-Edition ausgewählt hat, widmet sich dieser Stadt, die jahrezehntelang Symbol des Aufschwungs durch die amerikanische (Auto-)Industrie war. Heute, nach der Immobilien- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre ist Detroit nunmehr eine sterbende Stadt. Durch die vielen leerstehenden Häuser wurden ganze Viertel zu Geisterstädten, laut Statistik zählt Detroit inzwischen zu den gefährlichsten Städten der USA.
Für die Leere, die der Mensch hinterlässt, wenn er sich von einem Ort zurückgezogen hat, findet Jörn Vanhöfen verschiedene, metaphorische Bilder. Dabei kommen auf den Photographien aus Detroit deutlich mehr Menschen vor, als in den vorausgegangenen Arbeiten. Doch diese versprengt auftauchenden Passanten lenken erst das Augenmerk darauf, dass mit diesen Orten etwas nicht stimmt. Wie müssen sich die Bewohner einer verlassenen Stadt fühlen? Wer soll das Schild mit der Aufschrift: »Out of work can you spare any change please thank you«, das ein Mann in den Händen hält, lesen?
Auch in der Serie Aftermath waren bereits Aufnahmen von Detroit zu sehen, doch der Gestus der Bilder hat sich inzwischen grundlegend verändert. Waren Vanhöfens Bilder bisher eher dokumentarischer Natur, ausgerichtet auf den perfekten Augenblick und das ausdrucksstarke Einzelbild, so sind die Bilder in Disturbia stärker miteinander verbunden. Sie erzählen eine Geschichte, obwohl sie im eigentlichen Sinn nicht erzählerisch angelegt sind. Wie Filmbilder oder filmische Sequenzen sind die einzelnen Szenen miteinander verknüpft, indem sie den gleichen Ort, die gleiche Situation aus verschiedenen Perspektiven zeigen. Auf diese Weise findet eine vielschichtige und differenzierte Annäherung an einen Ort statt, aus dem jedes Leben entwichen zu sein scheint.
Jörn Vanhöfen
1961 geboren in Dinslaken