Einzelblätter
Schwarzweiß-Photographie aus dem Nachlass
E 592
Golden Gate Bridge, San Francisco, 1952
60,6 × 45,0 cm / 54,8 × 41,0 cm
E 593
Straßenkreuzung in Knoxville, 1952
60,6 × 45,0 cm / 54,8 × 35,5 cm
Papierqualität: 225 g/qm ILFORD Galerie FB Barytpapier, glänzend
Hersteller: Foto Company Altona
On the Road again
von Stephanie Bunk
Mit zwei großformatigen Photographien auf Barytpapier laden wir Sie erneut auf einen Road Trip durch die USA ein. Der bedeutende Bauhaus-Photograph Umbo hat sie 1952 aufgenommen, als er auf Einladung der amerikanischen Regierung das Land bereiste. Sie stammen aus der Serie, die wir Ihnen bereits im Frühjahr 2020 präsentiert haben. Es handelt sich um zwei typische Ansichten der USA, die nicht gegensätzlicher sein könnten: Die Golden Gate Bridge ist eines der Wahrzeichen und Postkartenmotive des Landes. Die berühmte Hängebrücke steht wie kaum ein anderes Bauwerk für technischen Fortschritt und wurde 1995 zu einem modernen Weltwunder erklärt. Kein Wunder also, dass Umbo die 1937 erbaute Brücke auf seiner Reiseroute hatte. Anders verhält es sich mit dem zweiten Motiv. Es zeigt einen »Schilderwald «, wie man ihn an mancher Straßenecke finden konnte. Umbo hat ihn in Knoxville im Bundesstaat Tennessee entdeckt, dem Ort, aus dem auch die Aufnahme des Reklamebildes eines auf einem Ventilator reitenden Cowgirls stammt, das Teil der Amerika-Serie gewesen ist. Auch dieses Bild kann als Zeichen des technischen Fortschritts und der Herrschaft des Automobils gelesen werden. Es zeigt aber auch die Orientierungslosigkeit, die einen angesichts der Weite des Landes und der Größe des Straßennetzes befallen kann. Faszinierend und absurd muten die vielen Straßenschilder an, die nicht nur die Richtung nach Nashville oder Atlanta weisen, sondern auch den Weg zur »Veterans Administration«. Diese Aufnahme ist im Stil der schnell reagierenden Street- Photography entstanden, als deren Begründer und Meister Umbo gilt. Bei dem Motiv der Golden Gate Bridge verhält es sich etwas anders, denn das Photo ist von einem der Stützpfeiler in 227 Metern Höhe aus entstanden. Anhand verschiedener Versionen des Motivs kann man beobachten, wie der Photograph auf den richtigen Augenblick gewartet und das Bild bewusst komponiert hat. Auf dem Motiv der Edition, das auf einen Originalabzug aus der Sammlung des Sprengel Museums beruht, fällt der Blick des Photographen fast senkrecht nach unten auf die Fahrbahn, sodass ein Maximum an Parallelität der Linienführung erreicht wurde. Die Fahrbahnbegrenzungen, der Reifenabrieb auf dem Belag und die Seile der Hängekonstruktion fließen in die geometrische Gesamtkonstruktion ein. Nur ein Dampfer durchkreuzt diese Bildordnung. Das Auto bzw. der Verkehr verbindet beide Aufnahmen und auch das Auftauchen von Zahlen, denn der Highway über die Brücke trug damals die Nummer 45, wie aus der Luft unschwer zu erkennen ist.
Umbo selbst hat das Motiv der Golden Gate Bridge in der Größe, in der wir es Ihnen anbieten, in den 1960er und 70er Jahren abgezogen. Damals wie heute ist das Format für einen Baryt-Abzug ungewöhnlich groß. Aber um die richtige Wirkung zu erzielen, ist es unerlässlich.
A-Reihe / 385. Wahl
I. Quartal 2022
Amerika, 1952
Schwarzweiß-Photographie aus dem Nachlass
1. Down-Town Sky Line, New York, 1952
24,0 × 30,0 cm | 16,8 × 27,8 cm
2. Schaufenster (5th Avenue), New York, 1952
30,0 × 24,0 cm | 27,8 × 18,6 cm
3. Straßenszene in Down-Town, New York, 1952
30,0 × 24,0 cm | 27,8 × 19,5 cm
4. Propangasbehälter bei New Orleans – Phalanx der Roboter, 1952
24,0 × 30,0 cm | 21,9 × 27,0 cm
5. Ventilator-Reklame in Knoxville, 1952
30,0 × 24,0 cm | 27,8 × 18,0 cm
6. Drive-in Kino bei Cincinnati, 1952
30,0 × 24,0 cm | 27,8 × 20,0 cm
Papierqualität: 225 g/qm ILFORD Galerie FB Barytpapier, glänzend
Hersteller: Recom Art, Berlin
Hersteller Mappe: Buchbinderei Thomas Zwang, Hamburg
Umbos Photoexpedition in die Vereinigten Staaten von Amerika 1952
von Herbert Molderings
(Auszug aus dem Begleittext zur Mappe)
1952 erhielt Umbo die Gelegenheit, Amerika, das Land der Zukunft, wie er es während der Weimarer Republik in Filmen, Büchern und Photobänden kennengelernt hatte, mit eigenen Augen zu sehen. Er war einer von zwanzig deutschen Photographen und Journalisten, die, da sie nationalsozialistischer Sympathien unverdächtig waren, von der amerikanischen Regierung eingeladen worden waren, drei Monate in den Vereinigten Staaten zu verbringen, um sich mit dem »American Way of Life« vertraut zu machen und nach der Rückkehr nach Deutschland in Wort und Bild darüber zu berichten.
Die Reiseroute führte Umbo von New York über Philadelphia und Washington in den Süden nach New Orleans, von dort an die kalifornische Küste mit Aufenthalten in San Diego, Los Angeles und San Francisco, weiter durch Colorado und Kansas nach Chicago und Detroit und schließlich zurück nach New York. Die Photos, die er von dieser Erkundungstour nach Deutschland mitbrachte – er hatte mehr als 1700 Aufnahmen gemacht –, die Bilder der Wolkenkratzer in New York und Chicago, der gigantischen Rohrskulpturen und stereometrischen Schönheiten der Industrieanlagen, der gleißenden Oberflächen metallischer Gasbehälter und der imposanten stählernen Brückenkonstruktionen bezeugen seine Begeisterung für die wirtschaftliche Macht und die technische Überlegenheit der Vereinigten Staaten in einer Zeit, in der Deutschland noch in Trümmern lag. Es waren Ansichten, wie man sie von der modernen amerikanischen Photographie der Dreißigerjahre durchaus gewohnt war, die die antiamerikanische und anti-demokratische nationalsozialistische Propaganda dem deutschen Volk in den zurückliegenden Jahren jedoch entweder ganz vorenthalten oder in Sinnbilder eines flachen geistlosen Materialismus uminterpretiert hatte.
Wie bei Umbos Berlin-Photos aus den Jahren 1928 bis 1932 waren es auch in den amerikanischen Städten nicht nur die architektonischen Highlights und die technischen Großtaten, die an sein photographisches Auge appellierten, sondern ebenso die überraschenden Konstellationen im alltäglichen Leben der Straße. Hier war der erfahrene Stadtwanderer kein Fremder, hier sah er intimer, bemerkte mehr als der gewöhnliche Tourist. In New York, wo er sich vier Wochen lang aufhielt, fand er das urbane Lebensgefühl wieder, das ihn in Berlin einst begeistert hatte. Es führte ihm Bilder zu, die er so ähnlich schon einmal aufgenommen hatte: die surreal anmutenden Dekorationen in den Schaufenstern der Mode auf der Fifth Avenue, die Licht- und Schattenspiele auf dem Asphalt, die befremdliche Erscheinung cyborgartiger Gestalten beim Schweißen eines Stahlmastes und die geschäftige Betriebsamkeit der Trucker vor der Skyline von Downtown Manhattan.
»Es ist ein Märchen und ein Zauber«, schrieb Umbo an seine Frau nach Deutschland. »Ich fühlte mich in New York mehr zu Hause als in Hannover oder überhaupt in Deutschland. Es ist die alte Kurfürstendamm-Atmosphäre.«
Auf den Avenues von New York flanierte Umbo in Erinnerungen an glückliche Tage. Aus dieser Harmonie von innen und außen ging ein letztes Mal in seinem Leben und Schaffen ein bedeutungsvoller, weil mit Empfindungen gesättigter Komplex von Photographien hervor. Viele seiner Amerika- Photos sind ein Echo seiner Berliner Landschaften, zurückgeworfen von den Architekturen und Schaufensterauslagen, Reklame-Displays und Straßenansichten in den amerikanischen Großstädten. In Knoxville, Tennessee, war es die bizarre Männerphantasie eines auf einem Ventilator reitenden Cowgirls, das ihn zum Einhalten veranlasste. Bei Cincinnati photographierte er eine riesige, selbst leuchtende Bildwand am nächtlichen Himmel, die einem vor ihr versammelten Tross dunkler, schwarzer Fahrzeuge geheimnisvolle Botschaften überbrachte. Drive-in Kinos dieser Art müssen auf ein deutsches Auge des Jahres 1952 so fremdartig gewirkt haben wie die Szene eines Science-Fiction-Films. Denn Autokinos gab es in Deutschland erst ab 1960.
Umbo (Otto Umbehr)
1902 geboren in Düsseldorf, lebte seit 1945 in Hannover, wo er 1980 starb