A-Reihe / 351. Wahl III. Quartal 2013
Farbradierungen
65,0 x 50,5 cm /47,5 x 33,5 cm
Klassenphoto
1. Birgit
2. Tobias
3. Helge
4. Eva
5. Johannes
6. Judith
Papierqualität: 300 g/qm Hahnemühle Bütten
Drucker: Kunst- und Radierwerkstatt W. Jesse, Inh. M. Jäger, Berlin
Gestische Malerei in Zeitlupe
von Stephanie Bunk
Lassen Sie sich von dem Serientitel Klassenphoto nicht in die Irre leiten! Es handelt sich bei den Arbeiten von Frank Maier nicht um Porträts im klassischen Sinne, wohl aber um eine Reminiszenz an eine bestimmte Lebensphase. Für Frank Maier ist das Klassenphoto eine Allegorie auf die Erinnerung an die eigene Biographie. Man behält die Mitschüler so in Erinnerung, wie sie damals waren, und doch nicht ganz. Denn jede Erinnerung ist eine Konstruktion, das Bild, das man sich von der Vergangenheit macht, wird zunehmend verschwommen und abstrakt. Daher sind die Bilder der Edition weniger als ein Verweis auf eine konkrete Person zu sehen, sondern vielmehr als eine Methode, um aus Leben Form gewinnen zu können. Der Blick zurück und die autobiographische Erfahrung dienen dem Künstler als Anlass oder Auslöser für den Prozess der Formfindung. Frank Maier beschreibt die Wichtigkeit des biographischen Erlebnisses als Ausgangspunkt für seine Arbeit folgendermaßen: »Die Abstraktion zielt hier nicht auf die bloße Oberfläche ab, nicht auf das stimmige Muster, sie ist vielmehr einer körperlichen, einer erlebten narrativen Ebene geschuldet.« Ist das Thema gefunden, so verläuft der Arbeitsprozess über eine Vielzahl gleichwertiger Schichten, die sich über- und anlagern, sodass in den Bildern verschiedene Arbeitszustände nebeneinander existieren. Aus diesem Nebeneinander von perfekt und provisorisch ausgeführten Gesten resultiert eine Spannung, die charakteristisch für Frank Maiers Werke ist. Die letzte, sichtbare Schicht ist in diesem Sinne nicht den anderen übergeordnet, sondern nur ein bestimmter Zustand des Bildes. Auch verschiedene Oberflächenqualitäten lässt der Künstler nebeneinander stehen, sodass von seinen Bildern eine extreme Körperlichkeit ausgeht. Seine Malerei ist ein Austarieren von Flächen, die zueinander in Beziehung gesetzt und durch Linien verbunden und überlagert werden, bis sie ein Eigenleben entwickeln, eine eigene Dynamik, welche die Komposition mit Leben füllt. Für Frank Maier zeigt ein gemaltes Bild nicht die Welt, es bildet nichts ab, sondern ist selbst ein Stück Welt, eingebunden in ein größeres Geflecht von Beziehungen. Das Bild ist für ihn eine eigenständige Kategorie, denn es vermittelt nicht mehr als das, was es ist.
Der Rückblick interessiert den Künstler auch in seiner neuesten Serie von Arbeiten, die auf bereits entstandene Bilder Bezug nimmt, auf sie antwortet. Dies geschieht, indem der Maler sie überarbeitet, ihnen neue Schichten und Ebenen hinzufügt. Das einzelne Bild verdichtet sich zu einer ganzen Ausstellung, in der Bilder über Bildern wachsen bis hin zu Kästen und Körpern. Generell ragt jedes seiner Bilder ein Stück weit in den Raum, ist immer auch ein Objekt, zu dem der Betrachter einen räumlichen Bezug herstellt. So wundert es nicht, dass auch Skulpturen zum Werk des Künstlers zählen, die er zusammen mit seinen Bildern als räumliche Installationen ausstellt.
Die Motive für die Edition der griffelkunst hat Frank Maier wie seine Malerei in mehreren Schichten aufgebaut. Sie werden in der Aquatinta-Technik von zwei farbigen Platten gedruckt, auf die mit einer dritten Platte eine schwarze, gezeichnete Linie ebenfalls in Aquatinta platziert wird. Durch das Wechselspiel der Flächen, die in Zwischentönen gehalten sind, und die individuelle Rhythmik der Linie entstehen Porträts, die mit Wiederholung und Differenz spielen.
Frank Maier
1966 geboren in Stuttgart