B-Reihe / 347. Wahl III. Quartal 2012
C-Prints
1. Fabrikmauer, 2005 50 x 40 cm / 37 x 25 cm
2. Balkon, Nacht, 2005 50 x 40 cm / 31 x 23,5 cm
3. Sitzplatz, 2011 50 x 40 cm / 33 x 26 cm
4. Kleine Böschung, 2011 50 x 40 cm / 28,5 x 28,5 cm
5. Gewerbeneubau, 2012 50 x 40 cm / 33 x 26 cm
6. Mauerweg, 2012 50 x 40 cm / 33 x 25 cm
Hersteller: Brieke, Frankfurt
Papierqualität: Kodak Professional Endura
Mappe: Photokarton mit Prägung
Hersteller Mappe: Christian Zwang, Hamburg
Allgemeinplätze
von Stephanie Bunk
»Unsere Wahrnehmung wird von allem geprägt, was wir in unserem Leben gesehen haben, von unserem Wesen, von den Bildern, die wir kennen, den Geschichten, an die wir uns erinnern, und der Kultur, in der wir leben. Ich habe unsere Umwelt immer als künstlich, als etwas Konstruiertes wahrgenommen. Ich sehe eine Häuserzeile als Stillleben oder einen Bürgersteig als Bühne.«
Oliver Boberg
Oliver Boberg zählt zu den Protagonisten einer inszenierten Photographie, die sich mit der Wirklichkeit in Form von Modellen auseinandersetzt. Der Künstler fertigt aufwendige Modellbauten von fiktiven Orten, die anschließend photographiert werden. Nur bei sehr genauem Hinsehen erkennt man die Täuschung, etwa an einzelnen Pinselstrichen, welche die Fassaden erst abgenutzt wirken lassen, oder an einer gemeinsamen Lichtstimmung, wie sie in der Realität nur schwer zu erzielen waäre. Bei aller Perfektion wirken die Modelle dadurch eher malerisch und reduziert als detailgetreu, der wahrgenommene Raum wird eher Kulisse als Realität. Als Vorlage dienen Oliver Boberg wiederum Photographien von räumlichen Mustersituationen, die er aufnimmt, um sie anschließend zu dem einen Modell zu verdichten. Der Künstler richtet seinen Blick auf Un-Orte und Passagen wie Randstreifen, Niemandsland, leer stehende Neubauten und verlassene Kleinstadtstraßen. Es sind abseitige und dennoch allgegenwärtige räumliche Standardsituationen, die man kaum bewusst wahrnimmt. Meistens sind auf seinen großformatigen Photographien Mauern, Wände und Fassaden zu sehen, die als Teil von architektonischen Konstellationen und Raum strukturierenden Elementen auftreten. Dabei liegt der Fokus weniger auf dem fiktiven Moment, dem Bezug zum Nicht-Realen, als auf dem Möglichen und damit auf der Qualität eines Bildgedächtnisses, das durch die Photographie geschult ist. Boberg gelingt mit seinen Bildern die Sichtbarmachung der alltäglichen, gewohnten Sicht- und Denkweise, der die Wahrnehmung von Architektur genauso wie die Rezeption von Bildern unterliegt. Vergleichbar mit dem Allgemeinplatz in der Sprache funktionieren auch diese fiktiven Orte über eine geteilte Vorstellung, vielleicht sogar über ein gemeinsames Vorurteil, das man von bestimmten Orten hat. Gerade weil jeder weiß, was gemeint ist und vergleichbare Orte kennt, lösen Bobergs Bilder eine Assoziationskette von individuellen Erinnerungen und Gefühlen aus, die an Orten wie diesen stattgefunden haben.
Ein ganzes Spektrum an Assoziationen rufen die sechs Motive der Edition für die griffelkunst auf, die zwischen 2005 und 2012 entstanden sind. Die Fabrikmauer, die Kleine Böschung und der Mauerweg, zeigen eben solche Un-Orte, wie sie überall zu finden sind, während der Sitzplatz auf dem dritten Motiv geradewegs aus einer Architekturzeitschrift stammen könnte, so postmodern mutet das Ensemble aus Wand und Bank an. Das zweite Motiv zeigt eine Nachtaufnahme, bei der auch der normalerweise weiße Rand schwarz ausbelichtet wurde, um die Wirkung des Bildes zu erhöhen. Es wirkt – wie Oliver Bobergs Bilder im Allgemeinen – gleichermaßen unheimlich und poetisch, melancholisch und romantisch.
Oliver Boberg
1965 geboren in Herten