B-Reihe / 363. Wahl
III. Quartal 2016
Farblithographien von Zinkplatten
1. Ohne Titel
58,0 x 43,5 cm / 47,0 x 33,5 cm
2. Ohne Titel
57,8 x 43,0 cm / 47,0 x 33,0 cm
3. Ohne Titel
45,5 x 56,0 cm / 34,5 x 46,0 cm
4. Ohne Titel
41,0 x 53,0 cm / 34,5 x 47,5 cm
5. Ohne Titel
43,0 x 57,0 cm / 32,5 x 47,0 cm
6. Ohne Titel
59,0 x 44,8 cm / 47,5 x 35,0 cm
Papierqualität: 360 g/qm Römertum Museumskarton, naturweiß
Drucker: Stephan Rosentreter, Lithographisches Atelier Leipzig
Bruder Tier und Schwester Pflanze – Die Bildwelt von Tilo Baumgärtel
von Brigitte Bedei
Der Leipziger Maler Tilo Baumgärtel führt den Betrachter in seinen großformatigen Bildern in eine komplexe, rätselhafte Bildwelt. Zwischen Traum und Wirklichkeit changieren seine Werke, und dabei ist unschwer zu erkennen, dass Baumgärtel seine künstlerischen Wurzeln im Surrealismus findet. Ausgangspunkt seiner Arbeit ist häufig das Spannungsfeld seines persönlichen Alltags und die Bilderflut der Massenmedien. Bizarre Tiere und Pflanzen, die stets ein wenig mystisch wirken, bevölkern seine Bilder und agieren vor konstruierten Landschaften. Häufig sind Mensch und Tier zu hybriden Figuren verschmolzen, und es erscheint ein ganz eigenes Bildpersonal, das sich in theatralisch angelegten Bildräumen bewegt.
Für die griffelkunst hat Baumgärtel eine Serie von sechs Lithographien realisiert, die von Zinkplatten gedruckt wurden und die er formal in drei Hoch- und drei Querformate teilt. Technisch funktioniert der Druck von Zinkplatten genau so wie die Lithographie, nur wird das Motiv nicht auf schwere Lithosteine gezeichnet, sondern auf Zinkplatten, von denen sie schließlich im Flachdruck als Auflage produziert werden. Die Drucke sind mehrfarbig angelegt und jeder erzählt eine fantastische Geschichte: Skurrile Individuen tummeln sich auf Baumgärtels Graphiken, menschliche Gestalten mit Tiergesichtern, märchenhafte Wesen, Baumstümpfe mit menschlichem Antlitz. Zwei elfenhafte Wesen räkeln sich auf einem Sofa, versunken in ein Gespräch mit ihrem Freund, der Vogelscheuche. Darüber flattert weiße Wäsche im Wind. Eine andere Geschichte erzählt von der Zähmung einer Gruppe von Delfinen, die allerdings nichts mit der sonst so freundlichen Darstellung der Meeressäuger gemein haben. Sie wirken vielmehr wild und bedrohlich. Über die Entwicklung seiner narrativ angelegten Bilder schreibt Tilo Baumgärtel:
»Wenn ich an meinem Ateliertisch sitze und zeichne, versuche ich meinen Gedanken zuzuhören. Nicht denen, die ich schon lange im Kopf habe, sondern den neuen, den Gedanken der Sekunde, Bildgedanken, die nicht an Worte gekoppelt sind. Ist nur ein Gefühl da, wird eine Bildentsprechung erfunden. Es reicht ein Lichtreflex, ein Gesicht, eine Pflanze, ein Wetter, eine Jahreszeit. Kein komplexes Bild zunächst und auch noch keine Kompositionsidee. Ein freies Assoziationsspiel beginnt, wobei Spiel und Arbeit ineinandergreifen. Gilt es doch auch, inflationär verwendete Symbole abzuwehren und Sehgewohnheiten zu überdenken. Gleichzeitig nicht zu viel zu planen, dem Tun einen Weg bereiten. Wie beim Schach Zug für Zug ein neuer Plan entsteht, wird bei jedem Element, das auf dem Papier erscheint, eine neue Situation geschaffen, entstehen neue Bedingungen. Ich erzähle bildhaft aufs Papier und das Papier erzählt zurück. Der erste Reim ergibt den Schlüssel für die Strophe. Doch dass es sich reimt ist keine Regel. Regeln werden neu erfunden und verworfen. Wenn ich mich konzentriere, sagt mein Instinkt mir, was zu tun ist. Am schwierigsten wird es, wenn sich ein imaginäres Publikum hinter meinem Rücken bildet. Das muss ich aus dem Raum bitten. Ich bin allein, und was andere sehen wollen, kann ich sowieso nicht wissen. Wir ertrinken täglich in Bildern und ich weiß, dass da ein Durst ist, den diese Bilderflut nicht stillt. Für mich ist es die Sehnsucht nach Selbstformuliertem. Es ist die Subjektivität, die sich aus der Bildproduktion einzelner ergibt.«
Tilo Baumgärtel, 1972 geboren in
Leipzig, lebt und arbeitet in Leipzig.
1991–1998 Studium der Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
1998–2000 Meisterschüler bei Prof. Arno Rink
seit 2015 Professur für Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig
Einzelausstellungen
2016 Für den Wels sind Teiche Inseln, Galerie der Stadt Wels, Wels, Österreich
2014 Cut Down Timber, Slag Gallery, New York
Terra, Galerie Kleindienst, Leipzig
Ausstellungsbeteiligungen
2016 Storyteller. Zeitgenössische Kunst aus Leipzig, Nationales Kunstmuseum & Goethe Institut Hanoi, Vietnam
2015 Ikonisch. Das Bild als Referenz, Goethe Institut, Madrid
Publikationen
Senza Parole, Galerie Kleindienst / LUBOK Verlag, Leipzig 2015
GOGO – Tilo Baumgärtel, Galerie Kleindienst / LUBOK Verlag, Leipzig 2014