Ellen Auerbach
C-Reihe / 346. Wahl II. Quartal 2012
Schwarzweiß Photographien aus dem Nachlass
Das Wirkliche als Komposition
1. Hut und Handschuhe, Berlin 1930, 21,5 x 13,9 cm / 29,8 x 23,9 cm
2. Renate Schottelius, New York 1954, 24,1 x 18,0 cm / 29,8 x 23,9 cm
3. Schwefelbad, Big Sur, Kalifornien 1950, 18,0 x 24,2 cm / 23,9 x 29,8 cm
4. Eleusis, Attika, Griechenland 1953, 15,8 x 24,2 cm / 23,9 x 29,8 cm
5. Great Spruce Head Island, Maine 1940, 15,8 x 24,2 cm / 23,9 x 29,8 cm
6. Gott’s Island, Maine 1947 24,4 x 15,6 cm / 29,8 x 23,9 cm
Papierqualität: Universal Wephota
Hersteller: Ilona Ripke, Berlin
Mappe: Archivkarton mit Leinenrücken
Hersteller Mappe: Christian Zwang, Hamburg
Ellen Auerbach. Lieblingsbilder
von Stephanie Bunk
Unsere Reihe der »Klassiker der Photographie« führen wir in dieser Wahl mit einer Mappe der Photographin Ellen Auerbach fort. Die sechs Bilder der Edition wurden von der Photographin Barbara Klemm ausgewählt, die nicht nur Kennerin des Werks ist, sondern vor allem eine langjährige Freundin Ellen Auerbachs war. Die Photographien spannen einen weiten Bogen. Anfang der 1930er entstanden die frühen Arbeiten der Künstlerin zusammen mit Grete Stern als ringl + pit in ihrem Atelier in Berlin, die späten Aufnahmen wie die der Tänzerin Renate Schottelius auf dem Dach eines Wolkenkratzers – Ellen Auerbachs Zuhause – stammen aus ihrer New Yorker Zeit. Zwischen beiden Bildern entwickeln sich Werk und Leben der Künstlerin, von Matthias Flügge im Begleittext zur Mappe wunderbar zusammenfasst:
»Ellen Auerbach, die jüdische Künstlerin, mit Ende Zwanzig aus Deutschland vertrieben, in Palästina heimatlos geblieben und dann über London nach New York gegangen: ein Emigrantenschicksal, das es ungezählte Male gab. Das Leben einer Frau, die Verluste erlebt hat und, wie die Bilder zeigen, auch viele glückliche Tage. Die Photographie war nicht ihr einziger Lebensinhalt, sie war ein Mittel in ihrem Leben, nicht der Zweck. Mit Hilfe ihrer Bilder versicherte sie sich der Wirklichkeit, ein Vorgang, der zu Zeiten wichtig war, zu anderen weniger. Ellen Auerbach hat ein künstlerisches Leben geführt, auch wenn nicht immer Kunst entstand. Dieses Leben, die innere Freiheit, sah man ihr an, im Gegenüber und in den Filmen und Interviews, die über sie und mit ihr gemacht wurden. Sie war eine Weltbürgerin, und sie war auf der Suche nach einer transzendentalen Existenz, man könnte meinen, nach einer Heimat jenseits der materiellen Wirklichkeit. Den Bildern ist das nicht ablesbar. Sie sind ganz diesseitig, als wären sie nur entstanden, um die wirkliche Existenz der Welt zu beweisen.«
Die Auswahl der Photographien orientiert sich an verschiedenen Lebensabschnitten Ellen Auerbachs und stellt gleichzeitig eine Abfolge von persönlichen »Lieblingsbildern« der Photographin dar. Ihr Leben lang wurde sie von diesen Aufnahmen begleitet – was den Bildern anzumerken ist. Sie sind »privat und universal« zugleich, wie Matthias Flügge weiterhin schreibt. Sie entziehen sich gängigen Kategorisierungen und sind gerade dadurch von kompositorischer Schönheit und Eindringlichkeit. Ein großer Teil ihrer Aufnahmen entstand auf zahlreichen Reisen ins Ausland, etwa nach Griechenland, Mallorca, Südamerika, Mexiko oder innerhalb der USA. Von ihren längeren Aufenthalten in Maine, USA zeugen zwei Photographien, die Bestandteile der Griffelkunst-Serie sind: Auf einem dieser Bilder aus dem Jahr 1940 sind vier Kindern auf einem Stein zu sehen, die ihre Aufmerksamkeit auf etwas gerichtet haben, das sich außerhalb des Bildes befindet. Ebenfalls auf einer Reise in die USA entstand das eindrucksvolle Photo eines verlassen wirkenden Raumes, in dessen Mitte eine geheimnisvolle Kiste auf einem lädierten Beistelltisch steht. Auerbach soll dieses Bild mit den Worten kommentiert haben: »Das Tischchen sieht irgendwie noch sehr lebendig aus.« (»All die Neuanfänge…«, S. 18). In diesen Aufnahmen zeigen sich zwei wesentliche Facetten ihres Werks, das sich vor allem mit den Menschen, ihren Beziehungen untereinander und den Spuren, die sie hinterlassen haben, beschäftigt hat.
Die Realisierung der Edition wäre ohne die Unterstützung von Barbara Klemm und die sehr gute Zusammenarbeit mit dem Archiv der Künste in Berlin nicht möglich gewesen, wofür wir uns herzlich bedanken möchten.
Ellen Auerbach wurde am 20. Mai 1906 in Karlsruhe geboren. Von 1924 bis 1928 studierte sie in Karlsruhe und Stuttgart Bildhauerei und Zeichnung. 1929 begann sie eine Ausbildung bei dem Bauhaus-Photographen Walter Peterhans in Berlin und eröffnete dort wenig später zusammen mit Grete Stern das Photostudio ringl + pit. 1933 emigriert sie nach Palästina, wo sie in Tel Aviv ein Photoatelier für Kinderporträts gründete. 1936 musste sie das Land zu verlassen und gelangte über London in die USA. Ende der 1950er Jahre wandte sie sich der Therapie von Kindern zu. Ellen Auerbach starb 2004 in New York. Seit den 1970er Jahren erfuhren zunächst ihr frühes, in den vergangenen Jahren auch ihr späteres Werk Würdigung, unter anderem 2008 in der Ausstellung »All die Neuanfänge…« im Käthe Kollwitz Museum Köln, zu der ein Katalog erschienen ist. Folgende Monographien sind erschienen: Inka Grave Ingelmann: Ellen Auerbach, Das dritte Auge. Leben und Werk, München 2006; Ute Eskildsen (Hg.): Ellen Auerbach, Berlin Tel Aviv London New York, München 1998.