C-Reihe, 396. Wahl
IV. Quartal 2024
Fit I–III, Radierung
39,5 × 29,5 cm / 29,8 × 21,0 cm
Strapmarks I–III, Holzdruck
50,0 × 37,5 cm / 41,5 × 30,2 cm
Druck: Atelier für Druckgrafik, Wedel (Radierung)
Handdruck Loeding & Sturm, Hamburg (Holzdruck)
Papierqualität: 250 g/qm Hahnemühle Rein Hadern, Radierung
170 g/qm Dorée, naturweiß, Holzdruck
IN FORM GEBRACHT
von Brigitte Bedei
Anna Grath ist Bildhauerin. Ihre Arbeiten entstehen aus Alltagsgegenständen, die sie ihres ursprünglichen Zwecks entzieht und neu konstruiert. Wenn Objekte aufgrund ihrer formalen, funktionalen oder erzählerischen Qualitäten ihr Interesse wecken, untersucht sie im Atelier ihre skulpturalen Möglichkeiten. Strümpfe dienen dann als Schnüre, die sie mit anderen Objekten verbindet; Scharnierband und Kabelkanal werden zu ornamentalen Bögen geformt an die Wand gehängt (Elomen, 2019). Notenständer (LineUp, 2020), Regenschirm oder Strumpfhose (Dylken 2014) offenbaren in ihrer neu eingegangenen Verbindung Farbe, Form und Textur. Unterschiedlichste Elemente werden verknüpft, gedehnt, gefaltet, gebogen, gezogen und gequetscht, wodurch sie eine neue Dynamik entfalten und sich als Zeichnung, Skulptur oder Relief an der Wand oder im Raum präsentieren. Textilien faszinieren die Künstlerin besonders, da Kleidung unmittelbar mit Körper verbunden ist und skulptural als dessen Stellvertreterin dienen kann. Eigenschaften wie Dehnbarkeit, Flexibilität und Elastizität interessieren sie dabei ebenso wie Materialien und Stoffe, die den Körper stützend und quetschend in Form bringen.
Textilien spielen auch in der für die griffelkunst entwickelten Serie eine zentrale Rolle. Während des Druckgraphikstipendiums in der Werkstatt von Ellen Sturm- Loeding in Hamburg-Winterhude im Herbst 2023 hatte Anna Grath Druckplatten mit verschiedenen Materialien »bekleidet« und untersucht, wie sich Bänder, BH-Träger und Stoffe ins Holz oder in die beschichtete Radierplatte drücken lassen, um Druckformen zu erzeugen. Sie bleibt ihren textilen Materialien treu, indem sie Strumpfhosen über Druckplatten zieht, Bordüre und Träger mit Schnüren spannt und diese mit schweren Druckwalzen ins Holz presst. Ihre Hochdruckformen entstehen nicht durch das Entfernen von Material, wie es im Holzdruck üblich ist, sondern durch das Einwirken der Objekte ins Holz. Wie Sockenbündchen oder BH-Träger Spuren auf der Haut hinterlassen, drücken sich diese ins Holz und erscheinen im Druck als Negativform auf schwarz-, ocker- oder rosafarbigem Grund.
Neben Hochdrucken ist auch eine Reihe von Tiefdrucken entstanden, indem Grath verschiedene Strumpfhosen über den Plattenkörper gezogen hat. Sowohl die grobe Netzstruktur als auch die feineren Maschen und Nähte werden auf die Platte übertragen und erscheinen in der Radierung als abstrakte Strukturen. Die kleinen Löcher und Laufmaschen, die sich im Druck zeigen, lassen erahnen, dass hier bei der Erstellung der Tiefdruckplatte ordentlich gezerrt, gezupft und gezogen wurde. Der fortlaufende Verschleiß der experimentell bearbeiteten Druckplatten führt dazu, dass die »hautnahen« Abdrücke im Verlauf des Druckprozesses schwächer werden. Daher hat Anna Grath für jedes Motiv mehrere identische Druckplatten hergestellt und deren »Bekleidung « gewechselt, sodass sie der hohen Auflage Stand halten.
Anna Grath
1983 geboren in Immenstadt, lebt und arbeitet in Hamburg