C-Reihe, 338. Wahl, II. Quartal 2010
Radierung
40,0 x 50,0 cm / 53,5 x 65,0 cm
1. Schmetterlinge
2. Fliegen
3. Heuschrecken
4. Marienkäfer
5. Ameisen
6. Käfer
Papierqualität: 350 g/qm Zerkallbütten
Drucker: Jürgen Schenning, Studio Druckgrafik, Braunschweig
Auf Milena Aguilars Blättern krabbelt und fliegt es. Ganze Ameisenstaaten, Käferkolonien und Schwärme von Schmetterlingen, Fliegen und Heuschrecken tummeln sich auf den groß angelegten Radierungen. Als Betrachter hat man den Eindruck, als würden die verschiedenen Insekten einem gleich entgegen fliegen oder aus dem Bild heraus laufen. Diesen dreidimensionalen Effekt erzielt Aguilar durch ihre ausgefeilte, meisterhafte Radiertechnik, für die sie schon zahlreiche Preise erhalten hat. Sie hat die Graphiken der Edition so angelegt, dass sich auf der großen Radierplatte mehrere Ebenen überlagern, die sich durch verschiedene Techniken und Stufen der Ätzung voneinander abheben. In den Hintergrund treten beim Druck die als erstes in Vernis Mou angelegten Figuren. Der Strich der Vernis Mou ist weich und schemenhaft und scheint regelrecht zu verblassen im Verhältnis zu den folgenden Ebenen. Die Zwischenlage entsteht durch den Einsatz einer schwachen Kaltnadel, die sich durch ihre klaren Linien und hohen Kontraste von den anderen absetzt. Als dritte Technik hat Milena Aguilar die Strichätzung eingesetzt, die zu besonders plastischen und ausgearbeiteten Formen führt. Diese drei Schichten ergänzen und überschneiden sich, so dass eine räumliche Tiefe entsteht. Das Auge findet kaum Halt und wandert von einem Tier zum nächsten. Wie auf einem Wimmelbild entdeckt man so ständig neue Details und Raffinessen.
Als Vorlage dienten Milena Aguilar tote Insekten, die sie als Stillleben angeordnet und aus verschiedenen Perspektiven direkt auf die Radierplatte übertragen hat. Die Arbeiten haben den Charakter eines Skizzenblattes bzw. einer Naturstudie, in der immer wieder neu versucht wird, dem Gegenstand gerecht zu werden. Erst bei genauem Hinsehen – vor allem bei dem Fliegen-Motiv –, erkennt man, dass es sich um tote Insekten handelt, denen die Künstlerin in der Radierung neues Leben einhaucht. Damit stößt sie ein Nachdenken über das Verhältnis von Leben und Tod an, das sich auch in ihrem malerischen Werk wieder finden lässt. In ihren gegenständlichen Ölbildern setzt sie ein Zeichen gegen die Vergänglichkeit, wenn sie Naschwerk wie Törtchen und Pralinen in der detailgetreuen Abbildung ein Nachleben schenkt. Aguilars Malerei ist in hohem Maße der Wirklichkeit verpflichtet ohne dabei hyperrealistisch anzumuten. Auf sie trifft das Wort „authentisch“ zu, denn die Künstlerin ist bemüht nichts wegzulassen und nichts hinzuzufügen und dennoch scheint am Ende nur das Wesentliche in ihren Bildern Niederschlag gefunden zu haben. Diesen Prozess der Reduktion kann man auch auf ihren neuen Landschaftsbildern beobachten. Milena Aguilar hat es sich selbst zur Auflage gemacht, die Landschaften direkt vor Ort zu malen und damit Veränderungen des Motivs während des Malprozesses mit einzubeziehen.
Milena Aguilar
1968 geboren in Linz, Österreich