Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V.

<p>Stefan Marx in der Werkstatt Felix Bauer, Köln ©griffelkunst</p>
<p>Stefan Marx in der Werkstatt Felix Bauer, Köln ©griffelkunst</p>
<p>Stefan Marx in der Werkstatt Felix Bauer, Köln ©griffelkunst</p>

Stefan Marx in der Werkstatt Felix Bauer, Köln ©griffelkunst

<p>Beim Aufbau der Ausstellung von Dasha Shishkin, Herbst 2012 ©griffelkunst</p>
<p>Beim Aufbau der Ausstellung von Dasha Shishkin, Herbst 2012 ©griffelkunst</p>
<p>Beim Aufbau der Ausstellung von Dasha Shishkin, Herbst 2012 ©griffelkunst</p>

Beim Aufbau der Ausstellung von Dasha Shishkin, Herbst 2012 ©griffelkunst

<p>Aufbau der Ausstellung “Thomas Kilpper – 150 Years of Printmaking”, 2014 ©griffelkunst</p>
<p>Aufbau der Ausstellung “Thomas Kilpper – 150 Years of Printmaking”, 2014 ©griffelkunst</p>
<p>Aufbau der Ausstellung “Thomas Kilpper – 150 Years of Printmaking”, 2014 ©griffelkunst</p>

Aufbau der Ausstellung “Thomas Kilpper – 150 Years of Printmaking”, 2014 ©griffelkunst

<p>Im Atelier von Anja Tchepets ©griffelkunst</p>
<p>Im Atelier von Anja Tchepets ©griffelkunst</p>
<p>Im Atelier von Anja Tchepets ©griffelkunst</p>

Im Atelier von Anja Tchepets ©griffelkunst

<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>
<p>Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst</p>

Tobias Zielony signiert in der Seilerstraße ©griffelkunst

Adrian Schiess

B-REIHE, 318. WAHL, II. QUARTAL 2005
„vorbei“, 2005
Heliogravüren, als Auflage im Farbverlauf gedruckt
59,0 x 77,0 cm

1. ohne Titel
2. ohne Titel
3. ohne Titel
4. ohne Titel
5. ohne Titel
6. ohne Titel

Papierqualität: Kupferdruckbütten 300 g/qm
Drucker: Kunst- und Radierwerkstatt Willi Jesse, Inh. Detlef Jäger, Berlin

Beim Prozess des manuellen Druckens nimmt der Drucker jedes Blatt einzeln zur Hand. Jede Graphik ist ein Original, das der Künstler durch seine Signatur autorisiert. In der Geschichte der griffelkunst gibt es einige Editionen, die diese Grundvoraussetzung in der Arbeit selbst thematisieren, etwa die im Herbst 1992 aufgelegte Radierung von Dieter Roth, bei der der Künstler den Drucker Henning Bergmann gebeten hat, auf jedem Blatt seine Fingerabdrücke zu hinterlassen.

Auch der schweizerische Künstler Adrian Schiess betont in seiner Edition den originalen Charakter jeder einzelnen Graphik. Seine Arbeit beschäftigt sich in sehr unterschiedlicher Form und Materialität mit Farbe und den Vorstellungen und Erwartungen, die an Kunst gestellt werden. Ulrich Loock vermag die Position von Schiess in seinem sehr dicht geschriebenen Text für den Katalog Vitamin P – New Perspectives in Painting, Phaidon, 2002, überzeugend zu vermitteln. Wir danken Ulrich Loock herzlich für die freundliche Genehmigung, die deutsche Version des Textes im Folgenden, nach einigen kurzen Sätzen zu der vorliegenden Edition, für unser Mitteilungsheft zu übernehmen.

Für die griffelkunst hat Schiess eine Heliogravüren-Serie entwickelt, die als Auflage in Farbverläufen gedruckt wird. Diese ergeben sich zufällig und folgen keiner vorausgehenden Ordnung. Jedes Blatt für sich ist monochrom gehalten und besitzt eine eigene Farbe. Das heißt auch, dass in unseren Ausstellungsgruppen die Motive in jeweils anderen Farben zu sehen sein werden. Wer sich ein blaues Blatt aussucht, muss damit rechnen, einen anders farbigen Druck zu bekommen. Das stellt eine Überraschung dar und provoziert eine Auseinandersetzung mit der Frage, welchem Wunsch, welcher Erwartung durch das anders farbige Blatt möglicherweise besser oder weniger entsprochen wird. Jenseits von Geschmacksentscheidungen wird so nach der Bedeutung von Farbe gefragt, nach dem Einfluss der Farbe auf ein und dasselbe Motiv.
Adrian Schiess’ Interesse an Farbe steht nicht isoliert da, sondern ist häufig eingebunden in den Ausstellungskontext und mit existentiellen Bildern verknüpft. Seine Griffelkunst-Edition ist aus einem von ihm gefilmten Video entstanden und zeigt in Sequenzen die Vorbeifahrt eines kleinen Schiffes. Die Spiegelungen des Lichts auf dem Wasser werden durch das Ereignis für einen kurzen Moment unterbrochen. Im letzten Bild ist die Ausgangssituation wieder hergestellt und verrät nichts mehr von der vorangegangenen Bewegung. Die Folge kennzeichnet das Auftauchen und Verschwinden des Schiffes als einen zufälligen Augenblick, der unwiederbringlich vergangen ist.

Eingeladen, eine Arbeit im Kunsthof in Zürich zu realisieren, einer Baulücke an einer verkehrsreichen Straße, hat Adrian Schiess dort 1998 Wiesenblumen ausgesät, Kornblumen und Mohnblumen. Im Laufe der Zeit, abhängig vom Wachstum der verschiedenen Pflanzen, ändert sich die Ansicht der Wiese. Diesem Werk hat er einen Titel gegeben, Malerei: eine Umkehrung der Verhältnisse vieler im kulturellen Gedächtnis bewahrter Gemälde… Claude Monet hat Mohnfelder gemalt, den Eindruck eines flüchtigen Momentes mit Farbe auf Leinwand konsolidiert. Die Wiese mitten in der Stadt – von der Straße durch eine Mauer getrennt, zu sehen durch eine Gittertür – stellt die Malerei dar, die Malerei von Adrian Schiess, die für ihn geprägt ist durch Ausdehnung, Sichtbarkeit, Farbigkeit, Veränderlichkeit, Einbettung in eine auch den Betrachter umfassende Umgebung, Landschaftlichkeit. Am ergreifendsten aber und grundlegend für seine Auffassung der Malerei ist, dass die Blumen, gerade aufgeblüht, bald schon verblüht sein werden. Kaum ein anderes Beispiel könnte die Implikation von Unsichtbarkeit in die Sichtbarkeit der Malerei so augenfällig machen.

In der Malerei von Adrian Schiess vermischt sich die Sichtbarkeit farbiger Flächen mit der Sichtbarkeit der Umgebung: Die flachen Arbeiten, ab 1986, und seit 1993 wie das Blütenfeld als Malerei bezeichnet, sind mit hochglänzender Lackfarbe bedeckte Platten, auf Latten etwas vom Boden abgehoben oder an die Wand gelehnt, und sie nehmen Reflexionen der Umgebung auf. Sie sind einfarbig, oder Farben gehen ineinander über. Zunächst hatte Adrian Schiess sie mit der Hand gemalt, jetzt aber lässt er sie spritzen wie ein Auto. Eine oder mehrere zueinander gelegte farbige Platten sind das Werk, doch nie ist ihre Farbe „als solche“ zu sehen, sondern zeigt sich immer wechselnden Umständen unterworfen. Die Farbe der Platten tönt Teile der Umgebung, die sich in ihnen spiegelt, und wird ihrerseits der Identifizierbarkeit entzogen. Adrian Schiess bestätigt, er habe „eine Palette“, für manche Farben eine Vorliebe, andere verwende er nicht. Doch ist die Farbwahl nicht programmatisch, sondern willkürlich, entsprechend der Unvorhersehbarkeit von Reflexionen in den verschiedenen Situationen der Sichtbarkeit. Die Malerei von Adrian Schiess besteht aus Bildern, die sich ergeben aus der wechselseitigen Modifikation von Spiegelungen der jeweiligen Umgebung und farbigen Oberflächen bemalter Platten. Was der Künstler produziert, das Objekt, ist nicht zu trennen von seiner Erscheinung im wechselnden Licht dessen, was es nicht ist. So ist, was diese Malerei zu sehen gibt, immer gegenwärtig, immer fragmentarisch und immer unterschiedlich. Jedoch der Möglichkeit nach umfasst sie alles, was im Moment der Wahrnehmung von der Sichtbarkeit ausgeschlossen ist. Es bedarf der künstlerischen Bestimmung von Farbe, Format und Installation, um durch diese Beschränkungen die Möglichkeiten unendlich erscheinen zu lassen. Diese Malerei ist Sache der Visualität. Sie ist eingeschoben in den Kontext der Dinge, nimmt auf, was an ihnen sichtbar ist und gibt es zurück, wie es nie zuvor zu sehen war. Sie versetzt den Betrachter in einen Schwebezustand – einen zugleich schmerzlichen und beglückenden – zwischen seinem Dasein in der Welt, mit der er zu tun hat, und der Kontemplation ihrer Potentialität.

Bilder von 1998-2000, betitelt Coucher du soleil, Mon jardin, Printemps usw., widersprechen Punkt für Punkt der Malerei der flachen Arbeiten. Als Kleinformate sind sie bildhaft begrenzt, die Farbe ist mit der Hand in dicken Krusten aufgetragen und mit Pinselstrichen zu einem Relief modelliert, in kontrastierenden Tönen über- und nebeneinander gesetzt. Ihre materielle Dichte verschluckt jedes Bild der Umgebung. Vom Künstler ist zu erfahren, sie seien gemacht mit Blick aus dem Fenster seines Ateliers. Doch sie geben nicht wie Monets Mohnfeld wieder, was dort zu sehen ist. Umgekehrt: Die Anhäufung von Farbe auf die kleinen Rechtecke der Leinwand trennt die sichtbare Welt auf der anderen Seite des Fensters von dem, womit der Maler hier, in der Reichweite seiner Hände zu tun hat. In Beziehung zu den Flachen Arbeiten ist es, als sei die zu einem dünnen Film ausgedehnte, verflüssigte und reflektierende Farbe ausgetrocknet und zu ihrem materiellen Residuum zusammengezogen worden, das gemäß seiner eigenen Logik zu Manipulationen einlädt, die ebenfalls Malerei sind. Auf der anderen Seite macht Adrian Schiess die Vermischung der farbigen Flächen mit Reflexionen der Umgebung rückgängig, indem er farbiges Licht isoliert: Mit dem Mittel des digitalen Video produziert er langsam sich verändernde Licht-Bilder, die auf einem Monitor gezeigt oder auf Wände projiziert werden können. Die Fragmentarität dessen, was die Malerei zur Sichtbarkeit bringt, schlägt sich nieder in Formen der Fragmentarisierung der malerischen Praxis selbst. Diese Fragmentarisierung macht zum expliziten Medium der Malerei, was ihr bislang implizit gewesen war: Licht, Raum, Material, und erlaubt es, gleichberechtigt „obsolete“ ebenso wie „avancierte“ Technologien einzusetzen.
Ulrich Loock, Februar 2002

318 B1
318 B2
318 B3
318 B4
318 B5
318 B6

Adrian Schiess

1959 geboren in Zürich

 

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